Charismatisch und kompromisslos

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Es sei längst an der Zeit, dass auch die Zeitungen in aller Welt erkennen, dass Musik nichts mit Unterhaltung zu tun habe, sondern Kunst sei, ließ Riccardo Muti kürzlich in einem Interview wissen. Auch Dirigieren sei alles andere als Vergnügen, sondern stets eine besondere Verpflichtung sich, dem Publikum, vor allem dem Werk gegenüber. Er erinnere sich an keinen Moment, als er glücklich auf dem Podium war. Dazu sei er viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Botschaft der Musik über die Rampe zu bringen. Was diese Worte ausdrücken, steht in deutlichem Kontrast zu jenem Riccardo Muti, den wohl der größere Teil der Öffentlichkeit vor Augen hat: einen selbstbewusst-virtuos seine Musiker befehligenden Maestro.

Auch das ist der charismatische, aus Neapel stammende Dirigent, der an den Konservatorien von Bari, Neapel und Mailand bei den Komponisten Nino Rota und Bruno Bettinelli und dem Dirigenten Antonino Votto, der einst Assistent von Arturo Toscanini war, seine prägende Ausbildung erfuhr. Ebenso zählt Muti zu jenen Interpreten, die sich kompromisslos der exakten Darstellung des Notentextes verschrieben haben. Nicht immer zur Freude der Sänger und des Publikums, die damit auf so manches lieb gewonnene hohe C verzichten müssen, wie man aus Mutis Opernaufführungen an der Mailänder Scala, deren Musikdirektor er von 1986 bis 2005 war, oder an der Wiener Staatsoper, zu deren Ehrenmitgliedern er zählt, weiß.

Seiner Karriere hat dies nicht geschadet. Nachdem er 1967 als erster Italiener den renommierten Guido-Cantelli-Dirigentenwettbewerb in Mailand für sich entscheiden konnte, debütierte er beim Maggio Musicale Fiorentino, dessen Chefdirigent er bis 1980 wurde. Parallel dazu wirkte der für seine Impulsivität bekannte Süditaliener zwischen 1972 und 1982 als Chefdirigent des Philharmonia Orchestra London, von 1980 bis 1992 in dieser Funktion beim Philadelphia Orchestra. Bereits 1971 hatte ihn Herbert von Karajan, der ihn später auch zu seinen Berliner Philharmonikern holte, eingeladen, eine Neuproduktion von Donizettis "Don Pasquale“ bei den Salzburger Festspielen, zu deren ständigen Dirigenten er seither zählt, zu dirigieren. Damals begann auch Mutis ununterbrochene Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern im Konzertsaal, in der Oper und im Plattenstudio, was sie ihm jüngst mit der Ehrenmitgliedschaft dankten. Mit ihnen wird er diesen Salzburger Festspielsommer Verdis "Macbeth“ aufführen, zugleich Mutis erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Stein. Zum Abschluss der Festspiele hat er sich noch mit dem Chicago Symphony Orchestra angekündigt, dessen Musikdirektor der international viel Begehrte seit vergangenem Herbst ist.

Auch wenn die Chancen für zusätzliche Engagements immer geringer werden: Neben seiner amerikanischen Chefposition, Gastspielen in Wien, beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Orchestre National de France ist Muti künstlerischer Berater der Römischen Oper. Seit 2004 steht er an der Spitze des von ihm gegründeten Orchestra Giovanile Luigi Cherubini, mit dem er in den letzten fünf Jahren die Salzburger Pfingstfestspiele, die einer seiner besonderen Leidenschaften - Musik der neapolitanischen Schule - galten, gestaltet hat. In Salzburg, wo er längst einen zweiten Wohnsitz hat, feiert der vielfache Ehrendoktor und mit zahlreichen in- wie ausländischen Auszeichnungen Geehrte am 28. Juli seinen 70. Geburtstag.

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