"Chemiker, die kleine Punkte anhäufen"

19451960198020002020

Pointillismus brachte neue Leuchtkraft in die Kunst und spielte als Stilrichtung für die Entwicklung der Moderne bis hin zur Abstraktion eine wesentliche Rolle, wie die gelungene Ausstellung "Seurat, Signac, Van Gogh. Wege des Pointillismus" in der Albertina verdeutlicht.

19451960198020002020

Pointillismus brachte neue Leuchtkraft in die Kunst und spielte als Stilrichtung für die Entwicklung der Moderne bis hin zur Abstraktion eine wesentliche Rolle, wie die gelungene Ausstellung "Seurat, Signac, Van Gogh. Wege des Pointillismus" in der Albertina verdeutlicht.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Sonne glitzert im Wasser, die Segel der Schiffe spiegeln sich darin, das Meer schillert, die Landschaft ist lichtdurchflutet. Von ungeheurer Leuchtkraft sind zahlreiche Werke in den ersten Räumen der Albertina-Ausstellung "Seurat, Signac, Van Gogh. Wege des Pointillismus". Es war ein bislang unbekannter Farbenreichtum und eine größere Helligkeit als je zuvor, die der Pointillismus in die Kunst einbrachte. Diese Errungenschaften werden sofort augenscheinlich, wenn man die Schau betritt. Doch diese will mehr als nur eine Kunstgattung anhand von Meisterwerken vorstellen. Vielmehr geht es darum, die Auswirkungen auf vieles Folgende zu präsentieren, ja darum zu zeigen, wie die Pointillisten oder Divisionisten mit ihrer Theorie zu Wegbereitern der Moderne wurden.

Farben zum Leuchten bringen

Dabei feindete man Signac und Seurat anfangs an. Die Impressionisten mit ihrem raschen, bewegten Pinselstrich und ihrer flüchtigen Aufnahme eines Moments en plein air wussten mit der konstruierten, kalkulierten neuen Art zu malen nichts anzufangen. "Chemiker, die kleine Punkte anhäufen", nannte Gauguin gar die Pointillisten. Kritiker meinten, der Pointillismus sei mechanisch, einfallslos, seine Figuren ohne Leben. Es war den Impressionisten suspekt, dass die Pointillisten ins Atelier zurückgingen, dass sie ihre Werke konstruierten anstatt Gefühle direkt und rasch auf die Leinwand zu bannen. "Das Selbstverständnis der Pointillisten war, die Farben noch mehr zum Leuchten zu bringen", sagt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. "Die Theorie besagte, dass man die Farbpunkte so klein nebeneinander setzt, dass das Auge sie dann zusammen fügt. Doch in Wahrheit kann man von keinem Bild so weit weg gehen, dass das funktioniert." Die viel wichtigere Errungenschaft sei, so Schröder, dass die Künstler die Formen dabei geometrisierten und somit die Abstraktion vorbereiteten. "Der Pointillismus schuf etwas, das gar nicht seine Intention war: eine Autonomie des Bildes".

Somit konzentriert sich die Ausstellung mehr und mehr auf den Aspekt, dass die Pointillisten die Ersten waren, denen es nicht um ein genaues Abbild der Natur ging und die auf das Erzählerische weitgehend verzichteten - zugunsten der Konstruiertheit ihrer Werke und der Malerei per se. Als nach einigen Jahren zahlreiche Maler wieder von der aufwändigen, anstrengenden Machart abkamen, wollten auch Signac und Co. nicht auf die Punktemalerei reduziert werden.

Theorie der Komplementärfarben

Bald wich der Begriff Pointillismus dem Divisionismus, es kamen quadratische Pinselstriche, Mosaikartiges, Farbflecken und Schraffuren vor. "Signac und andere wollten den Punkt als Träger der Farbtheorie verstanden wissen. Die Revolution findet in der Abstraktion und in der Farbtheorie statt", sagt Schröder. "Der Pointillismus hatte der Kunst erst die Komplementärfarbentheorie geschenkt und diese hat man sich herausgenommen." Aus diesem Fokus heraus lässt sich die Ausstellung auch mit Werken von Mondrian, Matisse, Picasso, Klee und Van Gogh bereichern.

Unerwartet und bereichernd

Van Gogh darf zwar ebenso als titelgebender Magnet der Schau wirken, seine Beziehung zum Pointillismus war jedoch eine kurze. "Van Gogh ist durch das Fegefeuer des Pointillismus gegangen, als er nach einer Aufhellung seiner Palette suchte. Es war ein Durchgangsstadium, das aber notwendig war", erzählt Schröder. Die Punktetechnik ließ Van Gogh schon bald wieder hinter sich, doch die Komplementärfarbentheorie nahm er mit, sie bescherte zahlreiche Werke von besonderer Leuchtkraft und Farbintensität.

Anhand von Werken von Matisse und Les Fauves, Klee, Mondrian und Picasso kann in der Ausstellung außerdem verfolgt werden, wie es "uns um die Befreiung von Form und Gegenstand geht", sagt Kurator Heinz Widauer. Mal wird das Motiv mit einem Konfetti-Schleier überdeckt, wie bei Picasso, mal verschwindet es überhaupt, wie bei Mondrian und Klee. Den Pointillismus als Geburtshelfer der Moderne und der Abstraktion zu präsentieren, ist durchaus eine unerwartete, bereichernde Wendung dieser Ausstellung.

Seurat, Signac, Van Gogh

bis 8. Jänner, Albertina

tägl. 10 bis 18 Uhr, Mi bis 21 Uhr

www.albertina.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung