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Das Tiroler Landestheater beendet eine Ära und eine besonders erfolgreiche Saison. Jüngste Premiere: Jules Massenets Oper "Chérubin".

Mit Jules Massenets selten aufgeführter Oper "Chérubin" beendete das Tiroler Landestheater den Premierenreigen einer außergewöhnlichen Saison. Sie war geprägt von dreißig Produktionen, die den Ruf des Hauses festigten, unter Brigitte Fassbaenders Intendanz eine Blüte zu erleben. Reichlich pilgern deutsche Intendanten nach Innsbruck, um zu sehen, wie ein mittelgroßes Haus einen anspruchsvollen Spielplan mehr als achtbar bewältigt und dabei Zuschauer gewinnt.

Das große Haus war in der zu Ende gehenden Saison 2004/05 zu 75 Prozent ausgelastet, die Kammerspiele kamen auf 80 Prozent. Und während rundum die Theater schwindende Abonnentenzahlen beklagen, hat sich jene des Tiroler Landestheaters um 400 erhöht.

Strauss' "Die Frau ohne Schatten", Brittens "Peter Grimes", Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" waren heuer Höhepunkte, die bedauern ließen, dass Innsbruck kein Repertoiretheater hat und die Produktionen nach ein paar Monaten wieder verschwinden. Die Krönung kam mit einer außergewöhnlichen "Hochzeit des Figaro". Das Ballett unter Jochen Ulrich hat seine wachsende Fangemeinde und in den Kammerspielen boomten Elfriede Jelineks "Ein Sportstück" und Gert Jonkes "Chorphantasie". Für den "Tod des Handlungsreisenden" erzwang das Publikum neun Zusatzvorstellungen.

Mit Beginn der Saison 2005/06 wird die rechtliche Umwandlung und Zusammenführung mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck gültig. Am 1. September 2005 nimmt die "Tiroler Landestheater und Orchester GmbH Innsbruck" ihre Arbeit auf. Die Stadt Innsbruck ist mit 45, das Land Tirol mit 55 Prozent beteiligt.

Mozarts "Figaro", das Musical "Evita" und Massenets "Chérubin" werden in die neue Ära mitgenommen. Massenets Oper, musikalisch aus Farbe und Licht, szenisch aus Festestrubel und jugendlichem Weltschmerz gebaut, geht raffiniert durch die Zeit: Das ausgehende 19. Jahrhundert sehnt sich nach der scheinbaren Unbeschwertheit des Rokoko.

Chérubin, exakt jener pubertierende Page, der in Beaumarchais/Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" auf Befehl des Grafen einrücken muss, weil er alle Frauen des Hauses betört, feiert den 17. Geburtstag, die Ernennung zum Offizier und seinen erotischen Zauber, und krönt diese Nacht des Übermuts, der Leidenschaft und Melancholie mit seinem ersten echten Liebesschmerz.

Zwei junge Frauen, Regisseurin Elisabeth Stöppler und Ausstatterin Nicole Pleuler, verlegen die Geschichte in ein abblätterndes Hotel, an dessen Wänden Watteau-Reminiszenzen vergangene Zeiten und die Sehnsucht danach spiegeln. Was in diesem Ambiente geschieht, geht inszenatorisch und durch ungeschickten Kostüme-Mix szenisch nicht recht auf, sehr wohl aber musikalisch.

Dirigent Emmanuel Joël kann den französischen Tonfall vermitteln, das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck spielt eine veritable Comédie und die Sänger bestechen geradezu mit feinen Valeurs. Mit ihrer taufrischen Natürlichkeit ist die junge Mezzosopranistin Michaela Selinger (ab Herbst als zweifacher Cherubin noch in Innsbruck, aber auch schon an der Wiener Staatsoper) ein idealer Chérubin, der die Flüchtigkeit des Seins als Schmetterling der Liebe zelebriert. Christine Buffle als Tänzerin L'Ensoleillad und Michael Dries als Philosoph richten seine Seele vorübergehend zugrund und wieder auf. Mit einem Zitat aus Mozarts "Don Juan" verweist Massenet auf die Gene des jungen Mannes.

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