Chinas Versprechen der "Öko-Zivilisation"

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Trotz der Turbulenzen auf den chinesischen Aktienmärkten hält die kommunistische Führung in Peking an ihren Schlüsselplänen fest. Kernpunkte darin sind Anreize zum ökologischen Handeln und zur Verbesserung der Boden-, Wasser-und Luftqualität. Eine Analyse.

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Trotz der Turbulenzen auf den chinesischen Aktienmärkten hält die kommunistische Führung in Peking an ihren Schlüsselplänen fest. Kernpunkte darin sind Anreize zum ökologischen Handeln und zur Verbesserung der Boden-, Wasser-und Luftqualität. Eine Analyse.

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Der politische Diskurs in China ist geprägt von Schlüsselwörtern, stark kondensierten Formeln, die auf komplexe Zusammenhänge verweisen. Die von Deng Xiaoping ab etwa 1980 eingeleitete Turbo-Industrialisierung und Öffnung des Landes für internationalen Handel firmiert unter "gaige kaifang" (wörtlich: Reform und Öffnung); Präsident XIs, von den historischen Seidenstraßen inspiriertes, drei Kontinente umspannendes Projekt der außen-politischen und außenwirtschaftlichen Kooperation läuft unter "yi dai, yi lu"(wörtlich: ein Gürtel, eine Straße).

Das aktuelle Schlüsselwort in China heißt: "Die neue Normalität". Das heißt "bescheidener Wohlstand für Alle bis 2021", dem 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei; den 100. Geburtstag der KPC solle China 2049 als voll-entwickeltes Land begehen. Ab sofort würde China diese Ziele aber über eine neue Art der Wirtschaft verfolgen, mit einem geringeren Wachstum, dafür mit mehr Bedachtnahme auf die Umwelt und das nachhaltige Umgehen mit Naturgütern. Anstelle von Infrastruktur-Ausbau im Lande und Exporten der produzierenden Industrie, würde die Ankurbelung des Inlandkonsums und der Übergang zu Dienstleistungen gefördert werden.

Unterlegt wird der Paradigmen-Wechsel durch das Konzept der "Ökologischen Zivilisation", ein (weiteres) Schlüsselwort, zu dem sich Präsident Xi seit dem 18. Parteikongress 2012 mehr als 60-mal geäußert haben soll, wenn man den offiziellen "Stricherl-Listen" der Kommunistischen Partei Glauben schenken darf.

Schäden und Herausforderungen

Umwelt-Schutz und nachhaltiges Umgehen mit Naturgütern stellen China vor große Herausforderungen. China erlebt bereits jetzt hochgradigen Wasser-Stress, insbesondere im Norden des Landes; viele der Wasserläufe und auch das Grundwasser vieler Städte sind verschmutzt. Landwirtschaftliche Böden sind kontaminiert. Über die Luftverschmutzung in großen Städten wird in chinesischen und internationalen Medien laufend berichtet. Das Laien-Video "Under the Dome", in dem die chinesische Journalistin und Mutter Chai Jing ihre Versuche beschreibt, ihre Baby-Tochter vor Luftverschmutzung zu schützen, erreichte in China über 100 Millionen Hits, bevor es vom Netz genommen wurde.

Die Verbesserung der Luftqualität, die Reinigung von verschmutzten Flüssen und Seen und die Rehabilitierung von kontaminierten Böden wird als politische Priorität zunehmend in den Medien und von der Zivilgesellschaft - die sich auch über mehr als 300 Millionen twitter-ähnliche micro blogs artikuliert - eingefordert. Der chinesische Umweltminister Chen Jining - letzten August, noch als Universitätsrektor, während der Alpbach-Laxenburg-Retreat in den Tiroler Bergen unterwegs - hat jedenfalls alle Hände voll zu tun.Im Mai 2015 haben nun Zentralkomitee der KPC und Staatsrat "Vorschläge zur Beschleunigung und Förderung der Errichtung einer Ökologischen Zivilisation" verabschiedet, in insgesamt 9 Teilen, 35 Maßnahmen und mit vielen konkreten numerischen Zielen, die wohl auch in den 13. Fünf-Jahres-Plan (2016-2020) Eingang finden werden.

Die Vorschläge reichen von Urbanisierung über Energie-Sparen, Wissenschaftliche Innovation und neue Technologien zu Recycling und Zirkulär-Wirtschaft; enthalten finanzielle Maßnahmen, behandeln öffentliche Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Transparenz, internationale Kooperation und vieles mehr.

Um politischen Führungskräften mehr Anreiz zu ökologischerem Handeln zu geben, sollen Umweltziele in Zukunft für die Vorrückung berücksichtigt werden. Amtsträgern und Gesellschaft soll ein besseres Verständnis ökologischer Zusammenhänge vermittelt werden. Datenerfassung und Monitoring von Umweltdaten, Naturgütern und Emissionen soll verbessert, der Zugang zu Information erleichtert werden.

Schärfere Gesetze

Das Umweltschutzgesetz wurde bereits verschärft und die Umweltsgerichtsbarkeit gestärkt. (So trifft es sich gut, dass Justizminister Brandstetter mit seinen Amtskollegen bei seinem China-Besuch im März u. a. eine verstärkte Zusammenarbeit zu Fragen des Umweltrechts vereinbarte.)

International trat China besonders mit der Ankündigung seines Beitrages zum Klimaschutz in Erscheinung. 2014 hatten US-Präsident Barack Obama und Präsident Xi die Zusammenarbeit in Klima-Fragen zum neuen Aspekt der Beziehung zwischen "Major Powers" erklärt. Eine gemeinsame Erklärung folgte beim EU-China-Gipfel am 29. Juni in Brüssel. Einen Tag später verkündete Premierminister Li Keqiang in Paris - wo im Dezember die 21. Vertragsparteienkonferenz der Klimakonvention stattfinden wird - den angestrebten Beitrag Chinas zur Treibhausgas-Reduzierung: China zeigt sich entschlossen, die Entwicklung des Landes nicht länger vor allem auf Kohlekraft, sondern zunehmend auf erneuerbare Energieträger zu stützen, die bis 2020 auf 20 Prozent des Energieendverbrauchs steigen sollen. Der Scheitelpunkt der Emissionen soll spätestens 2030 erreicht werden, mit ehrlichen Anstrengungen, früher zu "peaken". China will auch seine Klima-Unterstützung für Entwicklungsländer erhöhen.

Die internationalen Energie-Statistiken dokumentieren schon seit Jahren grundlegende Veränderungen in Chinas Energie-Sektor. Der jährliche REN21 Global Status Report der Erneuerbaren Energien weist China seit Jahren als jenes Land aus, das am meisten zusätzliche erneuerbare Energie-Kapazität installiert. 2014 investierte China mehr in erneuerbare Energien als Europa und die USA zusammen genommen.

Der designierte neue Generaldirektor der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, wird seinen ersten Auslandsbesuch in China machen, weil, wie er sagte, eine Energie-Organisation ohne Zusammenarbeit mit China keinen Sinn mache.

2015 ist das Zieljahr der sogenannten UN-Millenniums-Entwicklungsziele, die die extreme Armut in Entwicklungsländern verringern wollten. Dass die Millenniums-Entwicklungsziele auf globaler Ebene mehr oder weniger erreicht wurden, ist vor allem China zuzuschreiben, das in den letzten Jahrzehnten hunderte Millionen Chinesen aus der extremen Armut befreite, nicht zuletzt durch enorme Investitionen in die Infrastruktur, bis ins letzte tibetische Tal und inner-mongolische Dorf. Das Rezept "Infrastruktur für Armutslinderung und Entwicklungsankurbelung" wendet China nun unter der Initiative der neuen Seidenstraßen auf die Länder Asiens, Zentralasiens, Afrikas, Südosteuropas an.

Im September wird die Staatengemeinschaft einen neuen Anlauf machen, um auf Entwicklungspfade einzuschwenken, die im Einklang mit der Belastbarkeit unseres Planeten Erde stehen. Siebzehn Nachhaltigkeitsziele sollen angenommen werden, darunter solche zu Wasser, Klimaschutz und nachhaltiger Energie für alle. Die Nachhaltigkeitsziele werden nur dann Realität werden, wenn China sie auch auf seine Flaggen schreibt. Das Bekenntnis dazu ist gegeben, zuletzt erneut und hochrangig im Rahmen der jährlichen Konferenz zur Förderung der "ökologischen Zivilisation" Ende Juni in Guiyang. Dort präsentierte das österreichische Landwirtschaftsministerium mit Experten die Klima- und Energie-Modell-Regionen Österreichs und das Finanzierungsmodell des Klimafonds. Chinesisches Interesse an Kooperationen erschien dabei nahezu unbegrenzt - im Sinne des Schlüsselwortes.

Die Autorin ist Expertin für nachhaltige Entwicklung und ist Österreichs Botschafterin in Peking

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