Chinesische Kreationen

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Überraschende Gegenwartskunst in Salzburg.

Dichtes Gedränge bei der Opening Ceremony: Honoratioren werden von der Presse umringt, gefolgt von Zuschauern, dahinter eine unruhige Menge von Soldaten. Der chinesische Künstler Li Zhanyang reflektiert in seiner 2002 entstandenen Arbeit aus bemaltem Fiberglas Alltagseindrücke aus China. Die bunte Figurengruppe, leicht "lesbar" und aus westlicher Sicht fast klischeehaft, steht am Beginn der Ausstellung Mahjong - Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg, die das Museum der Moderne Mönchsberg in Salzburg von der Hamburger Kunsthalle übernehmen konnte.

Uli Sigg gilt als einer der besten Kenner chinesischer Kunst. Bereits in den späten 1970er Jahren im Joint-venture Geschäft in China tätig und 1995-98 dort Botschafter der Schweiz, erwarb Sigg seit den 90er Jahren von rund 180 Künstlern eine einzigartige Sammlung von ca. 1200 Kunstwerken: Gemälde, Skulpturen, Installationen, Videos, Plakate.

Die opulente Werkauswahl gliedert sich übersichtlich in die Abfolge der späten 70er, 80er und die 90er Jahre bis hin zu jüngsten Neuerwerbungen, die erstmals in Salzburg zu sehen sind. Thematische Schwerpunkte spiegeln auch die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche und Situationen, auf die die Künstler unterschiedlich reagiert haben.

Dem Protest gegen die Tradition des chinesischen Realismus und der Hinwendung zu Aspekten des Individuums folgten im Zuge der Öffnung Chinas nach dem Westen die Rezeption westlicher Kunst, Philosophie und Literatur und die kritische Auseinandersetzung mit der Konsumwelt der Pop Art in den 80er Jahren. Ein zynischer Realismus war die Antwort auf die gewaltsamen Ereignisse am Tainanmen Platz 1989. Eine "neu gewonnene Reife" erkennt der Künstler Ai Weiwei in der chinesischen Gegenwartskunst, die "sich endlich auf die Realitäten einlässt und sich gleichzeitig auf ihre eigenen kulturellen Wurzeln besinnt".

Zynischer Realismus

In krassem Gegensatz zu den großformatigen Auftragswerken des Sozialistischen Realismus - herausragend die Darstellung von Menschen beim Bau eines Bewässerungskanals (1973/74) - stehen etwa die Skulpturen (1979/81) von Wand Keping: eindringliche, asketische Bildwerke im Zeichen des geknechteten Individuums. Zahlreiche Werke setzen sich kritisch, ironisch oder zynisch mit dem einst verherrlichten Bildnis Mao Zedongs auseinander.

Übernahmen aus der westlichen Kunst wirken zuweilen irritierend bzw. unverständlich, aber auch spielerisch und subtil (Rouge - Flower, 1995). Und es gibt auch sehr eigenständige Bildfindungen (Liu Xiaodong Eating, 2000). Kühle und Distanz bestimmt figürliche Darstellungen, Einzelpersonen, Ein-Kind-Familien, Neureiche. Im kollektiven Lächeln oder Umarmen (Yue Min Jun, 1997 und 2000) erstickt die Freiheit des Einzelnen.

Brutalität und Gewalt werden mit höchster malerischer Qualität oder in Chromstahl-Hightech-Präzision messerscharf artikuliert. Formen der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, aus weiblicher wie aus männlicher Perspektive, mit menschlicher Asche, mit Kreationen unbekannter Wesen aus kreatürlicher Substanz provozieren nicht nur in China; sie sind in ihrer künstlerischen Intention und formalästhetischen Umsetzung für westliche Sehgewohnheiten und Empfindungen in einigen Fällen kaum oder nur schwer zugänglich.

Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören die in einem mystischen, hellen Nebel verschwimmenden großformatigen Landschaften von Qiu Shihua. Am französischen Impressionismus geschult, sucht er die größtmögliche Reduktion des Erkennbaren bis an die Grenzen der Leere auszuloten.

Ai Weiwei gehört weltweit zu den bekanntesten chinesischen Künstlern und zu jenen, die nach Aufenthalten im Westen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Seine Urne aus der Han Dynastie mit dem Logo von Coca Cola (1995) oder die 132 zum Teil übermalten neolithischen Vasen sind kritische Reflexionen über den Umgang mit Kunst, Geschichte und Kultur. "Die Vielschichtigkeit, Unsicherheiten, das Wandlungspotenzial oder auch das Fehlen einer religiösen Orientierung der chinesischen Gesellschaft, ihre sozialen Gepflogenheiten und die seelische Situation der Menschen im Reich der Mitte, dies alles ist Gegenstand der zeitgenössischen Malerei."

Mahjong. Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg

Museum der Moderne Mönchsberg

Mönchsberg 32, 5020 Salzburg

www.museumdermoderne.at

Bis 11. 11. Di-So 10-18, Mi 10-21 h

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