Christ in der Kunst

19451960198020002020

Matthias Boeckl, Jury-Vorsitzender des Otto-Mauer-Preises über Religion und Kunst.

19451960198020002020

Matthias Boeckl, Jury-Vorsitzender des Otto-Mauer-Preises über Religion und Kunst.

Werbung
Werbung
Werbung

dieFurche: Kürzlich fand in Wien eine Diskussionsveranstaltung über "Spirituelle Inhalte in der modernen Kunst" statt. Gibt es die und wie sind sie erkennbar?

Matthias Boeckl: Bei dieser Veranstaltung wurde die Frage, ob es Überlagerungen gibt zwischen christlicher Religiosität und zeitgenössischer Kunst anhand eines konkreten Beispiels, nämlich der Kunst-Station St. Peter in Köln, von deren Leiter, dem Jesuitenpater Friedhelm Mennekes abgehandelt. Dort ist die Auseinandersetzung seit vielen Jahren in die Seelsorge- und Gemeindearbeit integriert, Künstler werden eingeladen, ihre Arbeiten im Kirchenraum zu präsentieren, ihn auch entsprechend zu verändern.

Künstlerische Inhalte können natürlich auch religiöse Empfindungen stimulieren, dabei besteht aber immer die Gefahr, daß die Kunst funktionalisiert wird. Es ist aber weder die Funktionalisierung der Religion durch die Kunst noch die Funktionalisierung der Kunst durch die Religion wünschenswert. Kunst und Religion sind eigene Sphären und haben sich durch die Entwicklung der Moderne ausdifferenziert.

Meiner Meinung nach sollte man nicht mit Gewalt zeitgenössische Kunst in Kirchenräume pressen, sondern die Auseinandersetzung sollte entspannt und distanziert auf neutralem Territorium ausgetragen werden. Ich halte nicht viel von Zwangsbeglückungen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme moderner Kunst in einer Gemeinde nicht gegeben sind. Dann muß es zu Mißverständnissen und zur Ablehnung kommen.

Und es ist ebenso problematisch, wenn neue spirituelle Strömungen in der Kirche von der zeitgenössischen Kunst verlangen, daß sie auf christliche Glaubensinhalte reagiert. Es ist ihr kein Vorwurf zu machen, wenn sie das nicht leistet. Auch wenn sich die Kunst manchmal der Formen aus der christlichen Tradition bedient. Es scheint mir fundamentalistisch, wenn man auf diese Weise Kunst wieder zu ihren "ursprünglichen Aufgaben" zurückführen will. Ich halte den Entwicklungsprozeß der Kunst in dieser Hinsicht für unumkehrbar.

Die Zeit einer Integration von Kunst und Religion, wie sie beispielsweise noch in den fünfziger und sechziger Jahren existierte, ist meines Erachtens noch nicht gekommen. Dazu bedarf es einer längeren Nachdenkphase und einer sich daraus ergebenden Offenheit und theoretischen Auseinandersetzung, bevor man wieder gemeinsam in ein Boot steigt.

dieFurche: Gibt es denn derzeit Versuche der Kirche, die Kunst in ihre Dienste zu nehmen?

Boeckl: Es gibt sicher keine Offensive in diese Richtung, aber es gibt sehr wohl einzelne Strömungen, die , wenn sie sich mit Kunst auseinandersetzen, eine direkte Aussage zu religiösen Inhalten einfordern. Kirchenleute sollten sich mit zeitgenössischer Kunst aus einem allgemeinen Interesse heraus beschäftigen, ohne sofort Aussagen zu religiösen Inhalten zu erwarten, vielleicht ergeben sich in einem kontinuierlichen Dialog dann Bezugspunkte.

dieFurche: Für die Auseinandersetzung auf pfarrlicher Ebene braucht es wohl spezielle Voraussetzungen?

Boeckl: Es braucht vor allem einen Pfarrer mit langjähriger persönlicher Beziehung zu zeitgenössischer Kunst, der von sich aus zu einem solchen Projekt bereit ist.

dieFurche: Wäre es begrüßenswert, wenn Gemeinden mit einem Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit Kunst entstünden?

Boeckl: Ja, selbstverständlich. Meines Wissens gibt es derzeit in Österreich keine solche Gemeinde. In der Erzdiözese Wien existieren natürlich beispielsweise in den modernen Kirchenbauten - heute etwa von Otto Häuselmayer, früher von Ottokar Uhl - Anregungen dazu.

dieFurche: Heißt das, daß sich der moderne Kirchenbau Österreichs international durchaus sehen lassen kann?

Boeckl: Ja, durchaus. Natürlich finden auch in Wien immer wieder eher informell in Kirchen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst statt, beispielsweise in der Ruprechtskirche. Außerdem gibt es die Gruppe "Imago", in der Maler aus den Bereichen der phantastischen, der expressiven oder realistischen Kunst ausdrücklich christlich-religiöse Inhalte behandeln. Kardinal Schönborn hat sich mit ihnen auseinandergesetzt. Sie haben sich etwa mit dem Christusbild beschäftigt, die Ergebnisse waren auch in Ausstellungen zu sehen und wurden recht ambivalent aufgenommen.

Für viele zeitgenössische Künstler bedeutet es einen Rückschritt, sich mit dem traditionellen Christusbild im Zusammenhang des Kultes zu beschäftigen. Es geht für die Künstler eine Signalwirkung davon aus, wenn sich die Kirche nur für diese Funktion der Kunst interessiert. Das empfinde ich als bedauerlich. Die Auseinandersetzung der kirchlich Verantwortlichen sollte nicht bei diesem Teilbereich der Kunst stehenbleiben.

dieFurche: Wie ist derzeit die Situation des Otto Mauer-Fonds?

Boeckl: In den fast zwanzig Jahren seiner Existenz hat er erfolgreiche Arbeit geleistet, er betreibt eine sehr offene und konsequente Auseinandersetzung mit künstlerischen Manifestationen unserer Zeit. Viele seiner Preisträger sind mittlerweile international renommiert, wie etwa Gunter Damisch, Peter Kogler, Brigitte Kowanz, Heimo Zobernig und andere. Nicht zuletzt hat dies eine Ausstellung der bisherigen 18 Preisträger im vorigen November gezeigt. Der Otto Mauer-Fonds ist eine Stiftung kirchlichen Rechts, was ihm größtmögliche Unabhängigkeit von der Tagespolitik der Kirche gibt. Die dadurch garantierte Kontinuität ermöglicht seine Mittlerfunktion, als eine Art Tor für den Durchzugsverkehr in beide Richtungen. Etwa die Hälfte der Mitglieder des Fonds-Kuratoriums wurde heuer neu bestellt, es ist ein Generationswechsel erfolgt. Neuer Vorsitzender ist der Wiener Rechtsanwalt Georg Prantl, ein Neffe des Bildhauers Karl Prantl. Ich bin für 1999 zum Jury-Vorsitzenden bestellt worden. Ich sehe einer guten Zukunft des Fonds entgegen.

Matthias Boeckl, Enkel des Malers Herbert Boeckl, ist Assistenzprofessor am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Das Gespräch führte Leonore Rambosek.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung