Connor Levy, das komplett gecheckte Kind

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Wird der neun Wochen alte Bub aus Philadelphia einmal eher offen oder ängstlich werden? Wird er lieber mit LEGO oder mit Sprache spielen? Wird er eher seinem 41-jährigen Vater oder seiner 36-jährigen Mutter ähneln? All das wird erst die ferne Zukunft offenbaren. Das Genom des kleinen Connor Levy ist hingegen längst durchleuchtet. Bereits fünf Tage nach seiner Zeugung in einer Petrischale des Institute of Reproductive Sciences im englischen Oxford hat man Conners gesamte Erbinformation entziffern können. Erst danach durfte er in den Bauch seiner Mutter.

"Next Generation Sequencing“ nennt sich diese neue Form der Präimplantationsdiagnostik (PID). War es bislang in diesem frühen Stadium nur möglich, die korrekte Chromosomenzahl zu überprüfen ("Aneuploidie-Screening“) und einzelne Gene auf Defekte hin zu untersuchen, so eröffnet sich nun die Vision eines kompletten, massentauglichen Erbgut-Checks in der Retorte.

Wobei es den Entwicklern dieser Technik nicht so sehr um den totalen, genetischen Durchblick geht, wie der britische Reproduktionsmediziner Dagan Wells Anfang Juni in London behauptete. Vorrangiges Ziel sei vielmehr, durch das Aussortieren genetisch auffälliger Embryonen die Quote erfolgreicher Geburten nach einer künstlichen Befruchtung ("Baby-Take-Home-Rate“) von derzeit nur rund 30 Prozent pro Versuch zu erhöhen - und damit die Zahl belastender IVF-Zyklen zu senken. Derzeit würden dank der neuen Technik bereits 70 Prozent der Probandinnen beim ersten Versuch schwanger werden - fast drei Mal so viele wie bei einer natürlichen Zeugung, jubilierte Wells. Auch "Schwangerschaften auf Probe“, die nach auffälliger Pränataldiagnostik in einer Abtreibung enden (wie dies in Österreich bis zur Geburt gesetzlich möglich ist), könnten dadurch reduziert werden.

Doch welche Folgen hat diese Revolution? "Wie leben Menschen, auf die von der Zeugung an der Druck des Perfektionsanspruchs lastet?“, fragte ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg jüngst im Standard. "Wird natürliche Zeugung bald als unverantwortliches Risiko angesehen sein?“ Derzeit ist die PID in Österreich zwar verboten - anders als in Deutschland, wo sie für Paare mit erhöhtem Genrisiko 2011 zugelassen wurde. Doch die Mehrheit der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt spricht sich längst für eine beschränkte Zulassung aus: "Man sollte nicht immer nur die Gefahren wissenschaftlicher Fortschritte sehen, sondern über die Folgen breit informieren und diskutieren“, meint Kommissionsvorsitzende Christiane Druml im FURCHE-Gespräch.

Der kleine Connor Levy könnte dafür ein guter Anlass sein: "Made with Love (and Science)“ steht auf seinem Strampler zu lesen. "Mit Liebe gemacht (und mit Wissenschaft)“.

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