"Da finde ich mich selbst wieder"

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Die deutsche Regisseurin Maren Ade über ihren grandiosen Film "Toni Erdmann", der von der Kritik hoch gelobt wurde - aber bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes leer ausging.

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Die deutsche Regisseurin Maren Ade über ihren grandiosen Film "Toni Erdmann", der von der Kritik hoch gelobt wurde - aber bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes leer ausging.

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Ein Whitney Houston Song, eine Nacktparty und ein liebenswertes Fellmonster. In Maren Ades Film "Toni Erdmann" sind das die Stationen, an denen sich die beiden Protagonisten Ines (Sandra Hüller) und ihr Vater (Peter Simonischek) in ihrer Beziehung neu definieren. Dazwischen liegt, wie schon in Maren Ades Film "Alle anderen", der ihr 2009 den Jurypreis der Berlinale einbrachte, eine präzis entwickelte Zeitdiagnose. Wo man andernorts schnell von Skandalen spricht, sei bemerkt: Dass Ades Film im heuer in Cannes komplett leer ausging, legt skandalöse Umständen doch sehr nahe. Noch nie waren allein Sandra Hüller und Peter Simonischek besser. Die 1976 in Karlsruhe geborene Ade, die auch als erfolgreiche Produzentin im Arthausesegment (Miguel Gomes, Ulrich Köhler) tätig ist, sagt das auch, aber viel bescheidener.

Die Furche: Seit "Toni Erdmann" lobt man wieder den deutschen Film. Was ist deutsch an Ihrem Film?

Maren Ade: Ich glaube, dass der Vater Winfried eine typische Figur der deutschen Nachkriegsgeneration ist. Er ist jemand, der sich wie viele andere damals klar abgegrenzt hat gegenüber den eigenen Eltern, die für etwas standen, das man nicht mehr wollte, nämlich den Nationalsozialismus. Winfried wurde ziemlich sicher antiautoritär erzogen und Werte wie Freiheit und Selbstbestimmtheit waren dabei wichtig. Das ist sicher auch einer der Gründe, warum seine Tochter Ines eine so selbstbewusste Frau geworden ist. Genau das, was ihr ihr Vater mitgegeben hat, hat sie aber auch gut vorbereitet für ihren Job als Unternehmensberaterin. So ironisch ist das. Da hat sich Winfrieds Erziehung fast gegen ihn gekehrt. Letztlich muss man vielleicht sogar sagen haben die Weltoffenheit und die Neugierde, die Väter wie er vermittelt haben, die Globalisierung erleichtert.

Die Furche: Ihr Film ist tragikomisch. Können Sie definieren, was Sie witzig finden?

Ade: Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Komik. Bei der Nacktparty zum Beispiel hatte ich schon geahnt, dass sie später lustig wirken wird, weil es einfach per se lustig ist, wenn jemand nackt vor der Tür steht. Deswegen haben wir uns vor allem an der psychologischen Entwicklung, an der Verzweiflung und Traurigkeit orientiert, die zu der Situation führten.

Die Furche: Warum lacht man, obwohl etwas traurig ist?

Ade: Weil etwas Wahres darin steckt. Humor ist immer dazu da, um irgendetwas loszuwerden, zu überwinden oder aufzulösen. Die Wendung hin zum Humor hat immer etwas mit Verzweiflung zu tun. Aber auch mit Selbsterkenntnis.

Die Furche: Das Zusammenwirken der darstellerischen Leistungen von Sandra Hüller und Peter Simonischek trägt den Film. Warum heißt der Film "Toni Erdmann"?

Ade: Eigentlich übernimmt Sandra Hüllers Figur Ines später den Film und führt ihn zu Ende, aber ich sehe auch beide als gleichwertig an. Toni Erdmann ist für mich nicht nur die Figur. Er steht für eine Ausbruchsfantasie, die der Vater lebt. Wenn er als Toni Erdmann seinen ersten Auftritt hat, ist das der große Wendepunkt im Film. Der Vater versucht ja mit dieser Verwandlung, die Beziehung zu seiner Tochter neu aufzubauen, indem er ihr als Fremder begegnet. Gleichzeitig bietet die Figur dem Vater auch die Möglichkeit, seine Gedanken anders auszudrücken. "Toni Erdmann" ist deshalb eher eine Art Haltung.

Die Furche: Manche Kritiker hatten Probleme mit der Darstellung von Unternehmensberaterin Ines, da sie nah am Klischee von der unterkühlten weltfremden Geschäftsfrau dran ist. Warum haben Sie die Figur so angelegt?

Ade: Als Unternehmensberaterin gehört es dazu, eine Rolle zu spielen, man arbeitet mit einer Fassade, muss seine Gefühle kontrollieren. Ich habe den Eindruck, dass es Frauen stärker angekreidet wird, wenn sie sich so verstellen. Das Tolle an Sandra Hüller ist, dass sie eine Durchlässigkeit der Fassade mitspielen kann. Deswegen rutscht die Figur meiner Meinung nach nie ins Klischee ab. Der Vater hat übrigens auch den Reflex, in ihr die kalte Businessfrau zu sehen, indem er ihr Fragen stellt wie "Bist du denn glücklich?" Ich weiß nicht, ob er die einem Sohn gestellt hätte. Ines hat es sich so ausgesucht und fordert von Winfried, dass er das akzeptiert. Insofern kann auch ich selbst mich darin wiederfinden.

Das Gespräch führte Alexandra Zawia

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