Damit der Wohlstand nicht nur vorbeirollt

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Als Anerkennung der Demokratisierung in Jugoslawien wurde das Land dieser Tage in den EU-Stabilitätspakt für Südosteuropa aufgenommen. Anderorts wird schon geplant und gebaut: Brücken für und nach Europa.

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Als Anerkennung der Demokratisierung in Jugoslawien wurde das Land dieser Tage in den EU-Stabilitätspakt für Südosteuropa aufgenommen. Anderorts wird schon geplant und gebaut: Brücken für und nach Europa.

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Der Krieg in Ex-Jugoslawien hat nicht nur neue Grenzen auf dem Balkan geschaffen, er hat auch alle Handelsrouten in dieser Region verändert. Durch das Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien geht gar nichts mehr oder der Transport ist mit riesigen Schwierigkeiten verbunden. Diese Schwierigkeiten bekommen Griechenland und die Türkei zu spüren. Wer aus diesen Ländern in den Westen gelangen will, ist gezwungen, über Bulgarien und Rumänien zu fahren. Doch die Straßen, die dort vor Jahrzehnten gebaut wurden, waren für schwere Lastkraftwagen nicht vorgesehen.

Ein Lokalaugenschein in der Ortschaft Domasnea im Bezirk Turnu Severin: die internationale Straße nach Bulgarien, die durch diese Ortschaft führt, ist schmal und befindet sich im schlechten Zustand. Dutzende Unfälle haben sich hier bereits ereignet. Familie Galescu wohnt in einem Haus an dieser internationalen Straße. Frau Daniela erzählt: "In der Nacht kann ich nicht schlafen, denn das ganze Haus wackelt. Fast alle Wände haben schon Risse." Andere Bewohner klagen: "Der Wohlstand rollt durch unser Dorf aber er hält nicht an". Und für die Schäden, die die Transporter verursachen, fühlt sich niemand verantwortlich.

Wer aus Rumänien weiter nach Bulgarien fahren will, muss über die Donau. Die einzige Strecke führt vom rumänischen Calafat zur bulgarischen Stadt Vidin. Um die Donau zu überqueren, muss man eine Fähre besteigen. Diese fährt in unregelmäßigen Abständen. "Etwa 300 Fahrzeuge werden jeden Tag von einer auf die andere Seite befördert", erzählt der Kapitän der bulgarischen Fähre Nikolaj Nikolov. Auch die Zollkontrolle auf beiden Ufern dauert stundenlang. Im Rahmen des sogenannten Stabilitätspaktes für die Balkanländer soll jetzt eine Brücke zwischen Calafat und Vidin gebaut werden. Mit 120 Millionen Euro will sich die Europäische Union an dem Bauvorhaben beteiligen. Vor allem zur Belebung der Wirtschaft in dieser Region soll die Brücke beitragen.

Die Wirtschaftskrise ist in der bulgarischen Stadt Vidin auf Schritt und Tritt spürbar. Fast alle Betriebe stehen still. In der früheren Industriezone findet man nur vereinzelt Arbeiter, die menschenleere Fabriken bewachen. Die Arbeitslosigkeit beträgt an die 50 Prozent. In den letzten Jahrzehnten wurden viele der heutigen Bewohner von Vidin mit der Aussicht auf sichere Arbeitsplätze und billige Wohnungen in die Stadt gelockt.

Heute ist ihre Situation katastrophal. Jene, die Kontakte in ihre Heimatdörfer haben, kehren zurück. Mit Gemüse aus dem eigenem Garten lässt es sich leichter überleben als in einem Wohnblock ohne Arbeit. Den anderen, die auf bessere Zeiten warten, bleibt meistens nur die Flucht in den Alkohol.

Aus eigenen Kräften wird die Stadt Vidin nicht imstande sein, ihre wirtschaftliche Situation zu verändern. Die Hoffnung, dass die neue Brücke die wirtschaftliche Situation auf dem Balkan wesentlich verändern wird, sind deswegen in Vidin sehr groß. "Selbstverständlich hoffen wir auf neue Arbeitsplätze und auf wirtschaftliche Belebung unserer Region", erklärt der Bürgermeister von Vidin, Ivan Tsenov.

Gegen ein weiteres Sinken des Lebensstandards, mögliche Grenzstreitigkeiten und dadurch ausgelöste Flüchtlingswellen muss etwas getan werden, fordert der Bürgermeister. Sonst bleibt der Balkan ein ständiger Herd von Instabilität und Konflikten. Tsenov hofft, dass den Ländern der Region ein glaubhafter und absehbarer Weg in die europäischen Strukturen geboten wird. Und die Donaubrücke ist ein erster Schritt dazu.

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