"... damit die Menschen von ihm lesen sollten"

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Endlich weiß man, welchem Zweck das Heidentor, das bekannteste römische Bauwerk Österreichs, diente: als Triumphbogen für Kaiser Constantius II..

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Endlich weiß man, welchem Zweck das Heidentor, das bekannteste römische Bauwerk Österreichs, diente: als Triumphbogen für Kaiser Constantius II..

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Eingerüstet, nicht zugänglich: Ausflügler und Touristen haben derzeit keine große Freude am Heidentor in Petronell (Niederösterreich). Für die Archäologie hingegen sind die vor zwei Jahren begonnenen Sanierungs- und Konservierungsmaßnahmen am bekanntesten römischen Bauwerk Österreichs ein wahrer Glücksfall. Denn damit ergab sich die Möglichkeit, die Ruine selbst und den umliegenden Boden genau zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse liegen nun auf dem Tisch: Das Heidentor, das lange für ein abseits gelegenes Grabmal gehalten wurde, ist das prominenteste politische Baudenkmal der Römer nördlich der Alpen, das heute noch erhalten ist.

Die römische Provinzhauptstadt Carnuntum, an deren Rande das Heidentor stand, lag zwar an der Peripherie des Imperium Romanum, rückte aber immer wieder in den Mittelpunkt des politischen Geschehens, etwa im Jahr 193 n. Chr., als hier Septimus Severus zum Kaiser ausgerufen wurde. Als archäologische Stätte stellt Carnuntum in Mitteleuropa eine Rarität dar: Es ist eine der wenigen antiken Großstädte, deren Bauwerke nicht unter mittelalterlichen und neuzeitlichen Siedlungen verborgen liegt, sondern auf einem offenem Gelände von etwa zehn Quadratkilometern zugänglich ist. "Vor allem das Legionslager von Carnuntum ist ein Hammer", schwärmte Werner Jobst, als Landesarchäologe von Niederösterreich verantwortlich für die Erforschung des Heidentores, bei einem Vortrag in der Münze Österreich. Eine kürzlich ausgegebene 1000 Schilling-Goldmünze zeigt nämlich das Heidentor und seinen Erbauer, Kaiser Constantius II. (351 bis 361 n. Chr.).

Die jüngsten Funde von Münzen, Keramik, Fibeln, Waffen, Rüstungsbestandteilen, vor allem aber von vielen als Baumaterial verwendeten Weihaltären haben ergeben, dass das Heidentor in den Jahren zwischen 354 und 361 n. Chr., erbaut wurde. Dazu passt der Bericht des Offiziers und Geschichtsschreibers Ammanius Marcellinus, in dessen "Römischer Geschichte" zu lesen ist, dass Kaiser Constantius II. "unter großen Kosten Triumphbögen ... in Gallien und Pannonien errichten und auf ihnen Inschriften über seine Taten anbringen ließ, damit die Menschen von ihm lesen sollten, solange die Denkmäler stünden". Von diesen Inschrifttafeln aus Marmor sind freilich nur noch winzige Fragmente übrig, ebenso wie von den marmornen Hochrelieffiguren, die das Obergeschoß des Gebäudes zierten.

Wie die Maßverhältnisse zeigen, diente offenbar der Janus Quadrifron auf dem Forum Boarium in Rom als architektonisches Vorbild; Bogenmonumente mit vier Durchgängen - Quadrifron genannt - fanden sich an vielen Orten im Imperium Romanum. In der Mitte des ursprünglich 15 Meter hohen Bauwerks bei Carnuntum befand sich ein über vier Meter hoher Statuensockel. Auf den vier mit Ziegelmauerwerk verkleideten Pfeilern, von denen zwei erhalten sind, ruhte ein in Ziegeltechnik konstruiertes Kreuzgratgewölbe, von dem der westliche und die Ansätze zweier weiterer Bögen den Lauf der Zeit überstanden haben.

Der Kern des Gebäudes besteht aus Beton, jenem vermeintlich modernen Baustoff, den aber schon die Römer verwendeten. Der einzige Unterschied zum antiken opus cementitium ist, dass Beton heute mit Stahl verstärkt wird. Aus dem selben Material ist das drei Meter dicke Fundament des Heidentores. "Da könnte man ein Hochhaus darauf bauen", lobt Landesarchäologe Jobst die antiken Baumeister, "selbst mit dem Presslufthammer käme man nicht weiter, da hilft nur eine Sprengung". Tatsächlich wurde die östliche Hälfte des Monuments im 15. Jahrhundert oder noch früher gesprengt; spätere Versuche, die Ruine weiter zum Einsturz zu bringen, scheiterten an der Widerstandsfähigkeit der Baumasse, die Sprenglöcher sind noch heute zu erkennen. Warum das Heidentor Ziel derartiger Zerstörungswut wurde, ist unbekannt.

Ein anderes Rätsel, nämlich der scheinbar abgelegene Standort des Heidentores am Rande der Zivilstadt Carnuntum, konnte hingegen im Zuge der jüngsten Ausgrabungen geklärt werden. Der Monumentalbau liegt nämlich direkt an einer Straßenkreuzung, welche die römische Donauuferstraße, die Limesstraße, mit der nord-südlichen Bernsteinstraße verband. Logisch: Auf diesen Straßen marschierten die römischen Legionen - denn militärische Bewegungen können schlecht durch enge Städte erfolgen.

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