Damit Europa nicht wegschaut

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Dass ein Dokumentarfilm ein großes europäischen Filmfest gewinnt, kommt selten vor. Gianfranco Rosi ist das gleich zweimal gelungen. 2013 errang - als erster Dokumentarfilm überhaupt - "Sacro GRA" übers Leben am Autobahnring rund um Rom den Goldenen Löwen von Venedig. Und 2016 folgte auf der Berlinale für "Seefeuer" der Goldene Bär. Der filmische Besuch auf Europas Vorposten, der italienischen Insel Lampedusa, die das rettende Ziel für tausende Bootsflüchtlinge darstellt, reüssierte auch ob der politischen Aktualität. Aber man tut Rosi völlig Unrecht, wenn man seine stille und eindringliche Beobachtung, die "Seefeuer" darstellt, in die Schublade eines Agitationskinos steckt. Ein Jahr lang, 2014, war Rosi auf Lampedusa, um das Leben der Einheimischen wie der übers Meer Gekommenen zu beobachten und zu filmen. Er erzählt die heutige Geschichte der Insel mit Hilfe des 12-jährigen Samuele, der Fischer werden will wie sein Vater. Lampedusa war seit jeher von dem geprägt, was vom Meer kam. Zurzeit sind das auch und besonders die Flüchtlingsmassen, die eine lebensgefährliche Fahrt von den Küsten Nordafrikas bis hierher auf sich genommen haben. Rosi verschränkt den bisweilen beschaulichen oder von Wind und Wetter geprägten Alltag der Inselbewohner mit den Dramen und Tragödien, die da von Süden her ans Land gespült werden."Seefeuer", dessen italienischer Titel "Fuocoammare" zugleich "brennendes Meer" wie "Leuchtfeuer" bedeutet, nimmt vordergründig keinerlei Partei. Der Film bietet vielmehr eine ausgewählte Beobachtung, die aber den Zuschauer aufs Äußerste mitnimmt, wenn er Zeuge wird, wie die Küstenwache einen mit Menschen überladenen Kutter aufbringt, auf dem nur eine Hundertschaft Flüchtlinge überlebt hat. Rosi lässt auch an der Bergung der Leichen aus dem Bauch des Schiffes teilhaben. Alles andere als leichte Sommerkost. Aber auch im Sommer 2016 ereignet sich Nämliches vor der Küste Lampedusas. Und "Seefeuer" leistet einen exzeptionellen Beitrag dazu, dass Europa nicht wegschaut.

Seefeuer (Fuocoammare) I 2016. Regie: Gianfranco Rosi. Filmladen. 108 Min.

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