"Damit sie alle eins seien"

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Orthodoxe und Katholiken sind einander schon in vielem näher gekommen - aber wichtige Schritte sind noch zu gehen.

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Orthodoxe und Katholiken sind einander schon in vielem näher gekommen - aber wichtige Schritte sind noch zu gehen.

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Die Begleittagung des Herbert-Batliner-Europainstituts Salzburg zur "Ouverture spirituelle" hat bereits eine große Tradition, aber auch immer eine große Aufmerksamkeit. Unter heftiger Teilnahme wurden wie immer die Verhältnisse der diversen Religionen in Verbindung mit ihrer kulturellen Gestaltungskraft in Salzburg diskutiert. Dieses Jahr ist die Orthodoxie gefragt, was schon lange fällig war, und im Jahr des gescheiterten Panorthodoxen Konzils von großer Bedeutung ist.

Zur Ausgangssituation ist zu sagen, dass die Veränderungen in Europa (Fall des Eisernen Vorhangs, neue Landkarte, Wanderungsbewegungen) die Relevanz der Orthodoxie noch erhöht haben. Es kommt zu einem Revival dieser christlichen Kirchen, weil sie nicht mehr den Druck des Kommunismus haben und versuchen müssen, nun ihren Platz nicht nur in der christlichen Welt, sondern auch in der politischen Entwicklung zu finden. Weiter nicht bewältigt sind allerdings die Spannungen zwischen den einzelnen Kirchen, weil infolge der Autokephalie - also der Möglichkeit der nationalen Kirchen, für sich selbst zu entscheiden - die Gemeinsamkeit nicht ganz einfach ist. Das Panorthodoxe Konzil in Kreta ist eigentlich daran gescheitert, dass die russische Orthodoxie offensichtlich den historischen Rang von Konstantinopel nicht akzeptieren kann und aus der Position der Stärke auch den Führungsanspruch stellt. Hier kommt auch das traditionell enge Verhältnis der orthodoxen Kirchen zur jeweiligen Politik zum Ausdruck, weil die nationale Orientierung natürlich auch den Herrschenden sehr hilfreich erscheint. Es muss hier aber auch festgehalten werden, dass etwa in Rumänen die orthodoxen Christen stärker werden, während es in anderen Ländern eher zu einer Art von Säkularisierungsprozess kommt.

Auswirkungen auf die Innenpolitik

Wesentlich beeinflusst ist die Situation aber durch das Erstarken des Islams, insbesondere im Nahen Osten, weil hier Kirchen in einer uralten Tradition in beachtliche Schwierigkeiten kommen, wie etwa die Syrisch-Orthodoxen, die Armenier, Melkiten etc. Kritisch für uns "Westler" muss gesagt werden, dass wir mit der Vielfalt der Orthodoxie nicht so ganz zurechtkommen. Die Flüchtlingsströme haben allerdings die Präsenz dieser Kirchen nachhaltig auch bei uns verstärkt, wobei wir damit auch politische Probleme ernten, wie etwa das starke Eintreten der FPÖ für die Serben und gegen Kosovo, was der serbisch-orthodoxen Kirche in Wien durchaus einiges Unbehagen bereitet. So gibt es generell eine Reihe von politischen Problemen, verbunden mit dem Überlebenskampf alter christlicher Kirchen angesichts der Konflikte im Nahen Osten. Als Beispiel sei nur Ägypten genannt, wo es immerhin zehn Millionen koptische Christen gibt, die sich allerdings in Zeiten von Militärdiktaturen besser geschützt gefühlt haben, als im Falle der Wahl eines Muslimbruders zum Präsidenten.

Theologischer Reichtum

Ein besonderes Kapitel ist natürlich auch die theologische Diskussion. Hier hat die Stiftung Pro Oriente, von Kardinal Franz König gegründet, erhebliche Arbeit geleistet. So ist es zu einer Reihe von Deklarationen etwa zur Christologie gekommen, die leider bei uns zu wenig registriert wurden, aber im Gesprächsansatz von ungeheurer Bedeutung sind. Anerkennend muss man sagen, dass an den theologischen Fakultäten des Landes eine relative Präsenz der Orthodoxie zu verzeichnen ist und dass in Österreich seitens der Einrichtungen der katholischen Kirche auch ein beachtliches Verständnis entwickelt wurde. So wurden etwa an die syrisch-orthodoxe Kirche in Wien Pfarrkirchen abgegeben, um überhaupt den Gemeinden einen entsprechenden Platz einzuräumen. Die heutige politische Entwicklung wird diese Anforderungen noch erhöhen und mehr Aufmerksamkeit verlangen, wobei das nicht unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes oder der politischen Verfolgung allein gesehen werden sollte, sondern auch im Hinblick auf die enormen geistigen Beiträge, die aus diesem Teil der Christenheit geleistet wurden.

Die Stärke der Orthodoxie - nicht nur im Bereich der Musik, sondern auch hinsichtlich einer anderen Auffassung des Glaubens in einigem Abstand zur traditionellen abendländischen Rationalität - ist von entscheidender Bedeutung. Die Fragen selber bleiben aktuell, wie etwa die hochgespielte, ob nicht die Hagia Sophia in Istanbul (Konstantinopel) wieder von der Regierung zu einer Moschee gemacht werden soll. Vielleicht wäre es notwendig, etwa das Schisma von 1054 vonseiten der westlichen Kirchen bewusster zu bewältigen, als das bislang der Fall ist. Orthodoxie und Katholiken sind einander näher gekommen, aber hier sind noch wichtige Schritte zu gehen. Die "Ouverture spirituelle" ist ein Zeichen des Aufeinanderzugehens, das im Sinne des Glaubens notwendig ist: ut omnes unum sint!

Der Autor ist Präsident und wissenschaftlicher Leiter des Herbert-Batliner-Europainstituts

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