Danke, Frau Ministerin!

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Die von Elisabeth Gehrer losgetretene "Wertedebatte" entpuppt sich - jenseits aller Kuriositäten - als Glücksfall: Endlich macht die zunehmend übervorteilte junge Generation mobil.

Fast zwei Wochen ist es her, dass die Bildungsministerin im Interview mit der Presse zwei kurze Sätze von sich gab - und damit eine ideologisch aufgeheizte Debatte provozierte, die ihresgleichen sucht: "Was macht das Leben lebenswert?", fragte Elisabeth Gehrer sich selbst - und meinte damit primär die junge Generation: "Etwa wenn man von Party zu Party rauscht, ist es das Single-Leben?"

Seitdem ist über die stellvertretende Obfrau der ÖVP ein wahres Donnerwetter hereingebrochen: Abwechselnd wird sie als "verstaubte Biedermeierministerin" (© SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures) tituliert, in Zeitungsglossen durch den Kakao gezogen ("Bandltanzen sollen s'. Mi hat des immer scharf gmacht." - © profil) oder auch von Parteifreunden wie Ernst Strasser ungewöhnlich flapsig in die Schranken gewiesen: "Manche Wortmeldungen der letzten Tage kotzen mich an", gestand der Innenminister jüngst den Niederösterreichischen Nachrichten. "Insbesonders jene, die Partys verbieten und zum Kinderkriegen aufrufen."

Weder das eine noch das andere hat Gehrer in dieser Deutlichkeit formuliert. Vielmehr war es ihr in besagtem Interview darum zu tun, die Jungen zur Einhaltung des Generationenvertrages aufzurufen und im Übrigen eine "Neidhammeldiskussion", etwa über eine Solidarabgabe für begüterte Pensionisten, zu vermeiden. Ironie des Schicksals, dass die Bildungsministerin mit ihrer Wortspende zur "Wertedebatte" nun genau eine solche, viel geschmähte "Neidhammeldiskussion" provoziert hat.

Endlich, möchte man hinzufügen. Denn auch wenn Neid eine schlechte Triebfeder zur Bewahrung oder Herstellung von Gerechtigkeit zwischen den Generationen ist - der zunehmend scheele Blick der Jungen auf die "wohlerworbenen Rechte" der Älteren ist nur allzu verständlich: Glaubt man einer jüngst im Nachrichtenmagazin Format veröffentlichten und vom Ökonomen Reinhard Koman durchgeführten Studie, so gehören junge Menschen zu den großen Verlierern des heimischen Sozialsystems: Während ein 68-Jähriger um 192.000 Euro mehr lukriert als er selbst eingezahlt hat, wird ein heute 28-Jähriger im Lauf seines Lebens 113.000 Euro mehr berappen als er bekommt.

Umso ehrlicher ist es, wie zuletzt Nationalratspräsident Andreas Khol (VP) verstärkte Zuwanderung als notwendige Säule zum Weiterbestand des heimischen Sozialsystems zu erkennen (siehe auch Seite 23 dieser Furche). Die bloße steuerliche Entlastung von Familien, wie sie reflexartig von FP-Klubchef Herbert Scheibner verlangt wurde, wird jedenfalls kaum ausreichen, die derzeitige Geburtenrate von 1,4 Kindern je Frau auf jene Marke von 2,08 emporschnellen zu lassen, die erst eine stabile Bevölkerungszahl garantiert.

Denn eines haben die Erfahrungen der letzten Jahre im In- und Ausland deutlich gezeigt: Mit Geld allein ist kein Babyboom zu schaffen. Sonst könnte Österreich, das mit seinen Barleistungen für Familien EU-weit an zweiter Stelle liegt, mit 9,6 Lebendgeburten auf tausend Einwohner wohl kaum an viertletzter Stelle rangieren.

Was zählt - und das beweisen Vorreiter wie Frankreich und Schweden allzu deutlich - sind innovative Ideen zur bestmöglichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Leistbare, flexible und hochqualitative Kinderbetreuungseinrichtungen, denen berufstätige Eltern ihre Kinder mit einem guten Gefühl anvertrauen können, sind dafür unerlässlich (vgl. Artikel Seite 4). Noch wichtiger ist es jedoch, schon im Vorfeld jene Schikanen auszuräumen, die es der jungen Generation unmöglich machen, sich für ein Kind zu entscheiden. So wichtig ein Recht auf Teilzeitarbeit oder Kündigungsschutz ist: Die steigende Zahl atypisch Beschäftigter, unter denen sich überproportional viele junge Frauen finden, kann von derlei Sicherheiten nur träumen. Eine Schwangerschaft gefährdet oft schlichtweg ihre Existenz.

Nicht zwischen Kindern und Partys besteht die eigentliche Unvereinbarkeit, sondern zwischen dem Wunsch nach Kindern, dem gesellschaftlich geforderten Karrierestreben und dem Wissen, im Alter auch noch finanziell bestraft zu werden. Dass sie die Jungen - wenn auch unabsichtlich - lautstark auf diese Misere hingewiesen hat, dafür ist Ministerin Gehrer nur zu danken.

doris.helmberger@furche.at

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