Danke sehr, Herr Kardinal!

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Das Verhältnis zwischen den Diözesankirchen und der Universalkirche ist aus dem Leim gegangen. Kein Geringerer als der deutsche Kurienbischof Walter Kasper hat das festgestellt (ein wenig dezenter formuliert halt: "... ist aus der Balance geraten"). In den "Stimmen der Zeit" (12/2000) plädiert Kasper dafür, zwischen den beiden wieder ein "ausgeglichenes Verhältnis" herzustellen und widerspricht Kardinal Ratzinger, der die Gesamtkirche als "vorausliegende Wirklichkeit" sehen möchte. Bischof Kasper, der jüngst in Wien bei einem ökumenischen Rundgespräch gute Figur machte (siehe Im Gespräch, Seite 9), lässt die These von der "Präexistenz" der Kirche wohl gelten, fragt aber, ob dies nicht auch von den Ortskirchen gesagt werden kann. Schlägt man bei Paulus oder Lukas nach, dann führt diese These keineswegs zu jenem rigorosen Zentralismus, den Rom heute vertritt.

Kasper erinnert an den berühmt gewordenen Grazer Vortrag von Kardinal Ratzinger, bei dem dieser sagte, dass "nicht heute christlich unmöglich sein kann, was ein Jahrtausend lang möglich war", und dass daher Rom von den orthodoxen Kirchen "nicht mehr an Primatslehre fordern kann, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde". Wenn Ratzinger II (2001) die These von Ratzinger I (1976) noch gelten ließe, wäre die Ökumene einen Riesenschritt weiter.

Zu solch fruchtbarer Weiterentwicklung könnten alle Ortsbischöfe einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie im Vatikan signalisieren: Wir liegen auf der Linie von Ratzinger I und Kasper! Dass Kasper immerhin dieser Tage zum Kardinal ernannt worden ist, wiegt ja fast so schwer wie die Tatsache, dass John Henry Newmann vor mehr als hundert Jahren den Kardinalspurpur erhielt, obwohl er in seiner Lehre das Gewissen über die Lehre des Papstes gestellt hatte. Ein solcher Schritt aller oder auch nur einzelner Bischöfe in Rom wäre hundertmal produktiver als der Disziplinarstreit, den Erzbischof Eder in Salzburg vom Zaun gebrochen hat. Ein Bischof ist ja "nicht ein Delegat des Papstes, sondern ein Beauftragter Jesu Christi": Vielen Dank, Herr Kardinal Kasper!

Hubert Feichtlbauer ist freier Publizist und Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche".

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