Dann wäre Bush Nobelpreisträger ...

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Wie Konflikte managen? Angesichts der im Zuge der Globalisierung auftretenden Konflikte ist der militärische Werkzeugkasten viel zu klein. Konfliktprävention und Konfliktmanagement müssen heute vor allem auf nichtmilitärische Maßnahmen setzen.

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA kamen zwölf Intellektuelle - darunter der Friedensforscher Johan Galtung - auf die Idee, George W. Bush für den Friedensnobelpreis zu nominieren, sofern dieser als Reaktion einen Krieg unterlässt. Der "war president" - wie er sich selbst nennt - hätte damit die Liste um Bertha von Suttner, Nelson Mandela, Rigoberta Menchu, Shirin Ebadi, Desmond Tutu oder Mutter Teresa "bereichert" - aber daraus ist, wie die Geschichte gezeigt hat, nichts geworden. Die kleine Episode mag den meisten Medien nicht mal eine Kurzmeldung wert gewesen sein und dennoch gibt sie einen Einblick in die internationalen Beziehungen: Die von der Friedensforschung entwickelten und in der Praxis erprobten und weiterentwickelten Zugänge und Konzepte zur zivilen Konfliktbearbeitung spielen in der im Schatten des Terrorismus betriebenen Politik nur die zweite Geige.

Sackgasse Militär

Die Konturen jener sich nach 9/11 noch deutlicher als zuvor abzeichnenden Weltunordnung werden mehr und mehr vom Militär definiert. Nach fünf Jahren in dem von den USA ausgerufenen "permanenten Krieg gegen den Terror" gewinnt man jeden Tag mehr die Gewissheit, dass in den durch die Globalisierung hervortretenden Konflikten das Militär nur unzureichende und keine ursachenorientierten Konzepte hat. In der Mehrheit der Konflikte ist die westliche militärische Übermacht kontraproduktiv für die Schaffung von Frieden. Gekennzeichnet werden diese Konflikte mitunter durch unklare Fronten und Kriegsziele, Privatisierung von Gewalt und "asymmetrische" Kriegsführung. Das betrifft nicht nur die USA und ihre Kriege in Afghanistan und Irak oder die Drohgebärden in den Konflikten im Iran, Nordkorea und Venezuela. Auch die EU-Staaten sind mit dem Phänomen "neuer Kriege" konfrontiert.

Leichenschändung, Folter ...

Das Durchbrennen zivilisatorischer Sicherungen bei deutschen Bundeswehrsoldaten, die am Hindukusch Leichen schänden; die aus dem Rampenlicht geratenen Folterungen im Bundesheer und die ständig steigende Anzahl von EU-Auslandseinsätzen, die durch keinerlei ernst gemeinte öffentliche Debatte begleitet werden - alle diese Vorkommnisse stecken nur Teile des Problemkreises "neue Kriege" ab. Die "gemeinsamen transatlantischen Werte" von Aufrüstung, starker Rüstungsindustrie, militärischer Beistandslogik, erkennbarer Distanz zum Völkerrecht oder globalem Interventionismus mit Kampfverbänden sind jedoch sowohl - in unterschiedlicher Schärfe - in der EU-als auch in der US-Sicherheitsdoktrin fest verankert.

Die in den USA längst überfällige Diskussion über den Irak-Krieg und mögliche Ausstiegs-Szenarien sind einerseits dem Druck der amerikanischen Öffentlichkeit und andererseits der steigenden Zahl toter US-Soldaten im Nahen und Mittleren Osten geschuldet. Die Europäische Union wiederum reagiert auf die Probleme ihrer Militärs mit zivil-militärischer Zusammenarbeit.

Eine im Auftrag der EU ausgearbeitete "Human Security Doctrine" versucht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, ohne aus bisherigen Militärkonzepten auszubrechen. Aufgaben der dafür vorgesehenen "Human Security Response Force" sind neben Wiederaufbau, humanitärer Hilfe, Entwaffnung, Herstellung von Recht und Ordnung auch die Unterstützung der Zivilgesellschaft sowie unabhängiger Medien und der Erziehungsarbeit. Diese Truppe besteht aus rund 15.000 Personen, wobei mindestens ein Drittel Zivilisten (vorwiegend Polizei) sein soll. Das bedeutet aber, dass mehrheitlich Soldaten klassische zivile Aufgaben wahrnehmen. Ein Indiz dafür ist auch, dass für diese Truppe - wie für die EU-"battle groups" - über kein völkerrechtliches Mandat gesprochen wird. Der Einsatz ziviler Fachkräfte neben einem starken militärischen Kontingent darf außerdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies ein Schritt zur Instrumentalisierung des Zivilen und damit ein Schritt zu dessen Militarisierung ist.

Die von den Militärs gelobte zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC) dient - so die deutsche Bundeswehr - der jeweiligen militärischen Operation. Caritas International jedoch sieht darin einen "Widerspruch zum Neutralitätsprinzip" für Hilfsorganisationen. Das Österreichische Rote Kreuz wiederum ortet ein "brandgefährliches" neues Tätigkeitsfeld für eine Armee, der die Aufgaben abhanden kommen und stellt gemeinsam mit dem deutschen Verband entwicklungspolitischer Organisationen und "Ärzte ohne Grenzen" fest, dass Helfer im Windschatten militärischer Interventionen selbst zur Zielscheibe werden.

Zivile Ursachen verlangen ...

Armut, Hunger, Unterernährung, Flüchtlinge, globale Erwärmung - all das und mehr werden von der EU als globale Herausforderungen benannt. Diese Herausforderungen haben zivile Ursachen und verlangen nach zivilen Lösungsansätzen. Durch die Globalisierung haben sich diese Probleme verstärkt bzw. treten nicht mehr nur in den Ländern der so genannten "Dritten Welt" auf.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat 1994 zum ersten Mal das Konzept der "menschlichen Sicherheit" dargelegt: "Wer von menschlicher Sicherheit spricht, macht sich nicht Sorgen über Waffen, sondern über das Leben und die Würde des Menschen", so die UNO. Nach diesem Konzept orientiert man sich weniger an staatlicher Sicherheit, sondern an der Sicherheit des Individuums. Neben der körperlichen Unversehrtheit spielen dabei Wirtschaft, Ernährung, Gesundheit und Umwelt eine zentrale Rolle.

... zivile Problemlösungen

Der Prävention haben sich auch die transatlantischen Akteure angenommen. Die US-Regierung Bush hält die Debatte durch den "Präventivkrieg" in Atem und die EU übt sich im Formulieren von Bedingungen "guter Regierungsführung" zum Umbau ganzer Gesellschaften nach westlichem Vorbild. Mit einer wesentlichen Erhöhung der Ausgaben für Entwicklung oder einem nennenswerten Abbau von Agrarprotektionismus machen beide Akteure allerdings nicht von sich reden.

Für die Europäische Union sind derzeit zwanzigmal mehr Militärs im Auslandseinsatz als ziviles Personal (inklusive Polizei). Und bei den aktuell potenziell einsetzbaren EU-Pools an Zivilisten (inklusive Polizei) oder Militärs ist das Missverhältnis noch unausgewogener - aber zweifellos immer noch "ziviler" als jenes der USA.

Die UN-Millenniumsziele wurden etwa zehn Jahre nach den Konzepten zur "menschlichen Sicherheit" formuliert und stehen durchaus in dieser Tradition. Im Sinne eines umfassenden Friedensbegriffes und der Konfliktprävention wurden als Ziele die Beseitigung der extremen Armut und des Hungers, Einführung allgemeiner Primarschulbildung, Förderung der Gleichheit der Geschlechter, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheit von Müttern, die Bekämpfung von Krankheiten, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft formuliert.

UNO und NGOs als Korrektur

Ursachenbekämpfung spielt bei diesem Ansatz die zentrale Rolle. Und das gilt nach wie vor: Eine nachhaltige Friedensordnung ist ohne die Infragestellung der neoliberalen Ökonomie nicht mehr zu gewährleisten.

Menschen im Sinne der Milleniumsziele zu unterstützen, erfordert heute auch ein Mitdenken von neuen Kriegsursachen und zivilen Lösungsansätzen in allen Phasen von Konflikten. Zur Korrektur und wichtigen Ergänzung von militärischem Denken allein sind heute die Vereinten Nationen - als wichtigste Organisation für zivile Konfliktbearbeitung - gemeinsam mit den nichtstaatlichen Akteuren dringender denn je zu mehr Erfahrungsaustausch und zur verstärkten Zusammenarbeit aufgefordert.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Studienzentrum für Konfliktforschung (Burg Schlaining), Wien.

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