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Die Kunsthalle München zeigt den amerikanischen Künstler Mark Rothko.

Kaum ein Maler des 20. Jahrhunderts hat die Sehweise in der Kunst so grundlegend verändert wie der amerikanische Künstler Mark Rothko (1903-1970). Seine mystischen Farb-Visionen der 1950er und 60er Jahre ziehen in ihrer suggestiven Intensität nach wie vor den Betrachter in ihren Bann, auch wenn das reife Werk Rothkos mit der Zeit neue Wahrnehmungen und Deutungen erfahren hat. Die Gelegenheit zur Wieder-Begegnung mit einer ausgezeichneten Werkauswahl bietet zurzeit die Hypo-Kunsthalle in München mit der aus Rom (2007) in veränderter Form übernommenen Retrospektive.

Bereits im Nachkriegs-Europa wurde Rothko in Zusammenschau mit Künstlern wie Barnett Newman, Ad Reinhardt oder Jackson Pollock als Vertreter des Abstrakten Expressionismus vermittelt, obwohl dieser sich selbst nie auf eine Schule oder Stilrichtung festlegen lassen wollte, auch nicht auf jene der gestischen Malerei. Gleichwohl waren Werke Rothkos beteiligt an ersten Wanderausstellungen, die durch Europa reisten, 1955 auch nach Wien.

Große Anerkennung erfuhr Rothko 1959 auf der Biennale in Venedig und während der documenta II in Kassel - an der er allerdings wider seinen Willen beteiligt wurde. Der ersten Einzelausstellung 1961 in Europa mit 48 Werken folgte ein Jahrzehnt später schließlich jene Schau, die - nach Rothkos Freitod - erstmals auch in Berlin zu sehen war, nachdem der 1913 aus dem lettischen Dünaburg emigrierte jüdische Künstler zu Lebzeiten eigene Leihgaben nach Deutschland verweigert hatte.

Seit den 60er Jahren richtete sich der Blick verstärkt von Europa nach Amerika, dessen Kunstmetropole New York jene der Alten Welt (Paris) zu verdrängen schien. Mit dem Aufkommen der Pop Art und ihrer Fokussierung auf den Alltag zog eine neue amerikanische Kunst die Welt in ihren Bann. In den Strömungen der Trivialisierung und Minimalisierung traten mit geistiger Energie geladene Werke wieder stärker in den Hintergrund.

Die Kölner Ausstellung 1988 stellte das sich verdunkelnde Spätwerk an den Beginn, gleichsam als Einstieg in eine gänzlich andere künstlerische Erfahrens-Welt. Mit 120 Leihgaben, zumeist aus Rothkos Nachlass bzw. Familienbesitz, darunter drei Skizzenbüchern, darf die aktuelle Annäherung in München, die den Blick auf das Gesamtwerk richtet, als Sensation bezeichnet werden. Werkauswahl und chronologische Hängung spiegelt die Entwicklung von den späten 30er Jahren bis zu den letzten großen Arbeiten auf Papier von 1969.

Sensationelle Werkauswahl

Der Rundgang beginnt mit jenen Innenraum- und Stadtbildern, die die Kenntnisse der französischen Malerei (Matisse) erkennen lassen, die aber auch gliedernde Farbelemente des reifen Werkes vorwegzunehmen scheinen. Soziale Aspekte klingen an in den schemenhaft wirkenden Menschen in einer ihnen fremd erscheinenden Welt. Auch Rothko fühlte sich selbst als Außenseiter, der die Emigration nie wirklich überwunden hatte.

In den 40er Jahren bestimmen Themen der antiken Mythologie seine Bilder ganz in Sinne einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Surrealismus (1942 ist New York das Zentrum von aus Europa emigrierten Künstlern wie Roberto Mattà, Max Ernst u. a., und Peggy Guggenheims Galerie "The Art of This Century" ist ihre Drehscheibe). In archaischen Landschaften schweben organische Formen in diffusem Farbgefüge.

Ab Mitte der 40er Jahre verschwinden Bildinhalte und -titel, und schon bald setzt ein rauschhaftes Aufblühen starker Farben ein. In der Ausstellung wird nachvollziehbar, wie die Farbflächen allmählich verschmelzen, sich vertikal und horizontal ausrichten, bis sich schließlich wenige Elemente über/vor einem farbigen Grund ausdehnen. Spannungsvoll laden sich die benachbarten Farben gegenseitig auf - Pflaume, Orange, Gelb oder durch Weiß ergänzte Rot- und Violett-Töne, häufig in Ergänzung mit Schwarz und/oder Braun.

Die monumentalen Farbphänomene Mark Rothkos stellen an ihr Gegenüber hohe Anforderungen. Es gibt keine gewohnten "Lese-Strukturen", kaum kompositorische Anhaltspunkte, alles was ist, ist Farbe. Sie allein ist die Materie, auf die es ankommt: Nur in der langsamen Annäherung an das Bild wird das allmähliche Lebendigwerden und Atmen der Farben erlebbar. Diese andere, neue Sehweise findet sich bei Rothko transponiert in eine gegenstandsfreie Farbwelt, in der Sich-Ergänzendes wie Vertikal - Horizontal, Männlich - Weiblich zum geistigen Prinzip erhoben ist. Das Numinose, das Rothkos Bildern innewohnt, gründet auf Erfahrungen von Glück und Leid, Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod.

MARK ROTHKO RETROSPEKTIVE

Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung

Theatinerstraße 8, 80333 München

www.hypo-kunsthalle.de

Bis 27. 4. täglich 10-20 Uhr

16. 5.-3.8. Hamburger Kunsthalle

Der Katalog, 218 S., 120 Abb. in Farbe, kostet in der Ausstellung € 25,-

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