Die letzte Ausgabe von "Wetten, dass ..?“ unter Thomas Gottschalk, markiert auch das Ende jener Epoche, in der das Fernsehen unbestrittenes Leitmedium war.
"Wir sind wie Spuren im Sand … Das Wasser geht darüber“: Am Ende seiner Abschiedsshow wurde Thomas Gottschalk, gemessen an den Maßstäben des Unterhaltungsfernsehens, richtig philosophisch. Seit 1987 hatte der blonde Lockenkopf "Wetten, dass ..?“ moderiert. Vorigen Samstag wurde diese letzte große Samstagabendshow zu Grabe getragen. Denn auch wenn sich ein Nachfolger finden sollte, der das Himmelfahrtskommando Gottschalk-Nachfolge wagt - die Sendung ist wohl so gut wie gestorben.
Sag zum Abschied …
Einmal noch war zu sehen, wie Wettkandidaten Außergewöhnliches oder Skurriles vollbrachten; etwa der Mann, der die Marke einer Toilettenspülung am Spülgeräusch erkannte und diesen Klang mit einem an Weinverkostungen gemahnenden Vokabular analysierte. Sie sahen, wie prominente Wettpaten zum belanglosen Geplauder auf einer riesenhaften Couch Platz nahmen. Und sie lachten oder schüttelten den Kopf über Gottschalks Altherrenwitze. "Unterhaltung muss man nicht ernst nehmen“, verkündete der Moderator in seiner Abschiedsrede. Es handle sich nur um Seifenblasen. Ein wahres Wort.
Das Ende von "Wetten, dass ..?“ markiert auch das Ende jener Epoche, in der das Fernsehen unbestrittenes Leitmedium war. Der Medientheoretiker Marshall McLuhan beschrieb es als virtuelles Lagerfeuer, das die Menschen miteinander verbinde. Sendungen wie "Wetten, dass ..?“ waren kollektive Großereignisse, die jene Themen vorgaben, über die am nächsten Tag im Büro gesprochen wurde. Dem Fernsehen gelingt es zwar noch immer, Momente zu schaffen, die ein Land bewegen, etwa als in der ORF-Show "Die große Chance“ der Rapper Sido den Krone-Kolumnisten Michael Jeannée in die Schranken wies.
Doch das virtuelle Gemeinschaftserlebnis findet immer seltener statt. Höchstens eine Fußball-WM vermag die Aufmerksamkeit einer Bevölkerungsmehrheit auf sich zu ziehen. Schon bei anderen Sportgroßereignissen ist das verloren gegangen: Bei Olympischen Spielen laufen etwa zeitgleich auf ORF der 200-Meter-Lauf der Männer, auf Eurosport das Gewichtheben der Frauen und auf ZDF Synchronschwimmen.
Die Vielzahl von TV-Kanälen macht es Einzelsendungen schwer, sich zu behaupten. Solang es nur FS1 und FS2 gab, bewegte sogar "Fit mach mit“ die Österreicher, im wahrsten Sinne des Wortes. Nun konkurriert jeder Kanal mit 100 anderen. Viele davon sind auf Zielgruppen zugeschnitten: Für Kinder gibt es den Kinderkanal oder Nickelodeon, für Sportfans Eurosport oder Sport 1 und für Pensionisten ORF 2, auch wenn der Küniglberg dies bestreiten würde.
Abwendung von den TV-Kanälen
Und immer mehr vor allem junge Zuseher wenden sich nicht vom Fernsehen an sich, aber von den TV-Kanälen ab. Grandiose US-Serien wie "Mad Men“ oder "The Wire“, die in ihrer Bedeutung mit dem großen bürgerlichen Roman verglichen werden, laufen im deutschen Sprachraum gar nicht, mit großer Verspätung oder zu unmöglichen Sendezeiten. Daher ändern immer mehr Seher ihr Konsumverhalten: Serien werden auf DVD erworben (oder an den regulären Vertriebswegen vorbei aus dem Internet gesaugt).
Vor allem unter Jugendlichen läuft das Internet dem Fernsehen den Rang ab. Die Videoplattform YouTube etwa ist da so etwas wie interaktiver TV-Kanal, auf dem man zu jeder Zeit aus unendlich vielen Sendungen wählen kann. Noch spielen dort tatsächliche TV-Sendungen, zumindest in Ausschnitten, eine wichtige Rolle. Gottschalks sentimentaler Abschied etwa konnte Montagvormittag hundertfach abgerufen werden. Zunehmend aber etablieren sich dort eigene Unterhaltungsstars mit Millionenpublikum. Doch diese YouTube-Gottschalks bleiben jenen, die das Portal nicht nutzen, völlig unbekannt.