„Das Entscheidende ist die Gottesbeziehung“

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Christine Rod ist Theologin und Mitglied der Schwesterngemeinschaft „Missionarinnen Christi“. Sie arbeitet als Supervisorin mit Ordensgemeinschaften und als Organisationsentwicklerin in diesem Bereich.

Die Furche: Ordensleute leben nach den „Evangelischen Räten“ – Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam.

Sr. Christine Rod: Oft ist das Ideal viel zu hoch gehängt worden. Denn das Entscheidende ist die Gottesbeziehung. Wie sich dieses Leben dann gestaltet, ist eigentlich sekundär: Ehelosigkeit ist nicht wichtiger als die Beziehung zu Jesus. Es geht um den Glauben. Das gilt aber nicht nur für Ordensleute, sondern für alle Christen.

Die Furche: Warum leben dann Ordensleute mit bestimmten Versprechen, die Laien nicht machen.

Rod: Das erste ist die Gottesbeziehung, das zweite das Leben in Gemeinschaft. Die Evangelischen Räte versuchen, das zu regeln – natürlich auf einer spirituellen Grundlage. Es sind nicht bloß gruppendynamische Grundsätze. Der Gehorsam ist eine Grundausrichtung: Wir sind gehorsam gegenüber unserem Glauben und dem, was Gott in unserer Gemeinschaft heute will. Damit sind keine Untertänigkeitsrituale gegenüber dem Vorgesetzten gemeint, sondern Gehorsam heißt, sehr gut und gemeinsam hinzuhören. Der Gehorsam regelt das Zusammenleben. Auch die Ehelosigkeit ist eine Sache des Zusammenlebens, aber auch hier gibt eine spirituelle Dimension: Es geht um eine andere Art von Fruchtbarkeit und von Beziehungsfähigkeit. Die Armut als drittes ist eine diffizile Sache. Denn im Grund ist kein Ordensmensch arm, wir sind alle gut abgesichert. Aber es handelt sich trotzdem um eine freiwillige Reduktion, um ein Teilen. Wir sprechen von „Gütergemeinschaft“. Das heißt etwa: Von dem, was ich persönlich verdiene, geht ein Großteil zu den Mitschwestern nach Afrika und Brasilien.

Die Furche: Wie können Sie aber sicher sein, dass diese Lebensform auch glaubwürdig lebbar ist?

Rod: Ich glaube nicht, dass ich eine „bessere“ Lebensform gewählt habe als andere. Ordensleben ist heute nicht mehr das großartige übernatürliche Streben nach der Vollkommenheit, diesen spirituellen „Lohn“ habe ich heute nicht mehr. Trotzdem ist es etwas „Irrationales“, warum ich glaube, dass dieses Leben im Namen Gottes für mich angemessen ist. In der neueren Ordenstheologie gibt es den Satz: Die Evangelischen Räte sind immer ein Gewinn und ein Verlust. Es ist ein Gewinn, eine andere Art der Beziehungsfähigkeit und der Fruchtbarkeit zu suchen, und es ist natürlich auch ein Verlust, nicht in der Form von Intimität zu leben und Nachkommen zu haben. Gleiches gilt für den Gehorsam: Es ist ein Gewinn, auch andere Menschen mitdenken und mitentscheiden zu lassen, nicht alles allein ausdenken zu müssen. Und gleichzeitig ist es ein Verlust, denn da muss ich mich auch nach anderen richten. Und Ähnliches gilt auch für die Armut.

* Das Gespräch führte Otto Friedrich

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