Das Europa der Frauen - ist nicht anders

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Das Akademietheater zeigt als Uraufführung fünf Monologe, in denen fünf Autorinnen aus fünf Ländern auf den Zustand Europas schauen und die Situation der dort lebenden Frauen beleuchten. Barbara Frey hat "Ein europäisches Abendmahl" für die Bühne eingerichtet.

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Das Akademietheater zeigt als Uraufführung fünf Monologe, in denen fünf Autorinnen aus fünf Ländern auf den Zustand Europas schauen und die Situation der dort lebenden Frauen beleuchten. Barbara Frey hat "Ein europäisches Abendmahl" für die Bühne eingerichtet.

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Zu barocken Klängen tragen Frauen eine Tischplatte quer durch den Raum. Das ist nicht nur wegen deren Überlange mühsam: Der dreischiffige, die perspektivische Tiefe betonende Raum, den der Bühnenbildner Martin Zehetgruber der berühmten Darstellung des Abendmahls von Leonardo da Vinci abgeschaut hat, gleicht einer Ruine. Das Dach ist durch-, der Boden aufgebrochen. Das Erdreich türmt sich zu Haufen. Die Frauen hacken in hohen Stöckelschuhen unsicher darüber, auf der Suche nach einem Platz für ihre Tafel. Erst am Ende des Abends wird sie vorne an der Rampe aufgebaut werden und die Frauen werden daran Platz nehmen, um sich auszutauschen. Eine Friedensbotschaft vor der Auferstehung? Und dazwischen?

Die Idee, die dem Abend vorausging wäre eigentlich so richtig und spannend: Das Akademietheater hat fünf namhafte europäische Schriftstellerinnen aus fünf Ländern beauftragt, Texte zur Lage Europas zu verfassen. Regisseurin Barbara Frey hat sie unter dem Titel "Ein europäisches Abendmahl" für die Bühne eingerichtet.

Entstanden ist kein Stück, sondern ein fünfteiliges Puzzle mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und Reflexionen auf die Situation von Frauen im gegenwärtigen Europa: Momentaufnahmen in Form einer Nummernrevue mit Frauenporträts, die sich aber nicht so recht zu einem neuen oder gar anderen Bild zusammenfügen wollen. Das einzig Verbindende ist das Monologische sowie der etwas gar pathetische Raum, gegen den die Frauen ansprechen. Befremdlich und auch etwas misstrauisch macht der Umstand, dass die fünf Szenen am Ende jeweils mit Szenenapplaus bedacht werden. Was wird hier beklatscht? Angesichts der Inhalte, um die die Monologe kreisen, Flüchtlingsströme, Gewalt, Armut, radikaler Islamismus, Leihmutterschaft, Angst und Ratlosigkeit über die Zukunft Europas ,wollen wir hoffen, er gilt den schauspielerischen Leistungen.

Alte und neue Ängste

Den Anfang machte Terézia Moras Text. Sie entwirft darin das Porträt von Maria, großartig gespielt von Kirsten Dene, die selbst einmal als Flüchtling gekommen ist. Sie erzählt von Ängsten die sie damals hatte, wie sie ihren Platz in der Gesellschaft fand, der jetzt bedroht scheint durch die neue Angst, die die Flüchtlinge ihr heute bereiteten.

Für Elfriede Jelineks Beitrag lässt Frey Sylvie Rohrer und Frieda-Lovisa Hamann (an Beckett erinnernd) in schicken Pelzmänteln aus einem Erdloch herauskrabbeln und einen bitterbösen Text über die Flüchtlingsherden vortragen, denen frau sich nur durch den Einsatz von Pfefferspray erwehren könne.

Marusja, die Figur der Georgierin Nino Haratischwili, ist selber einmal aus Osteuropa geflohen. Nun bringt sie sich und ihren Sohn durch Putzen und gelegentliche sexuelle Dienstleistungen über die Runden. Sie, die Migrantin, die um ihren prekären Platz kämpfen muss, begegnet denen, deren Dreck sie jetzt im Flüchtlingsheim aufwischen muss, mit Verachtung, Neid, Zorn und Wut. Vielleicht zeigen sich an dieser Frau, die Maria Happel mit beängstigender Authentizität als Kämpferin zu spielen weiß, am deutlichsten die Probleme von Europa: die Ablehnung der Politik der Willkommenskultur durch diejenigen, die selber wenig haben, die sich ökonomisch an den Rand gedrängt fühlen, wie aus Opfern Täter werden.

England versus Ukraine

Ähnliche Ambivalenzen eröffnet der starke Text der estischen Autorin Sofi Oksanen: Abwechselnd erzählen zwei Frauen aus ihrem Leben: Mary (Catrin Striebeck) aus England schildert, wie der erfolglose Kinderwunsch die Ehe und sie ausgezehrt haben, die andere, die Ukrainerin Darja (Katharina Lorenz), wie sie nach demütigenden Befragungen zur erfolgreichen Eizellspenderin werden und damit der Armut entkommen konnte.

Den Schluss machte der Text von Jenny Erpenbeck, in dem die "Frau im Bikini" (wieder Frieda-Lovisa Hamann) zuerst von seltsamen Ängsten schwadroniert, um endlich zur Überzeugung zu gelangen: "Nein, ich kann nicht schlafen. Irgendetwas muss mir einfallen." Was, verrät sie leider nicht.

Ein europäisches Abendmahl

Burgtheater, 4., 11. Februar

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