Das Fest der Experimente

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Bei der "Langen Nacht der Forschung" wird Wissenschaft in ganz Österreich wieder zum Erlebnis: Zahlreiche Stationen laden zum Mitmachen ein.

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Bei der "Langen Nacht der Forschung" wird Wissenschaft in ganz Österreich wieder zum Erlebnis: Zahlreiche Stationen laden zum Mitmachen ein.

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Es ist wie eine Zeitreise, ein Blick weit zurück in eine Vergangenheit, die unverbraucht und plastisch vor unseren Augen liegt. In Hallstatt ist es möglich, tiefer in prähistorische Lebenswelten einzutauchen als an vielen anderen Fundorten. Das liegt am vielen Salz: Aufgrund seiner konservierenden Wirkung ist alles erhalten geblieben, was die Bergleute vor Jahrtausenden in den Stollen und Kammern liegen ließen: Zahlreiche Geräte aus Holz, Leder, Fell und Textil wurden bereits geborgen, und sogar die Exkremente sind perfekt erhalten. Sie spiegeln nicht nur den Speiseplan der Bergleute, sondern auch, welche Darmparasiten die alten Hallstätter plagten.

"Hallstatt ist eine wahre Fundgrube für die Wissenschaft", sagt Archäologe Hans Reschreiter vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien. "Das ist eine der wenigen 'Zeitkapseln', wo die Zeit über Jahrtausende so gut wie still gestanden ist."

Einblicke in das DNA-Labor

Wie Archäologen gemeinsam mit anderen Wissenschaftern den Alltag der Bergleute beleuchten, zeigt das NHM Wien bei der "Langen Nacht der Forschung" am 22. April. Das DNA-Labor des Naturhistorischen Museums etwa veranschaulicht, wie DNA-Sequenzierung funktioniert, und wie mit Unterstützung der Vet-Med Uni Wien die prähistorischen Schweineknochen untersucht werden. Diese lassen darauf schließen, dass jedes Jahr hunderte Schweine nach Hallstatt gebracht wurden, um tranchiert, gepökelt und dann im Bergwerk getrocknet zu werden. "Heute ist archäologische Forschung nur durch das Zusammenspiel vieler Fachrichtungen möglich", bemerkt Reschreiter. "Die Zeiten von Heinrich Schliemann, als Forschung der Job von Einzelnen war, sind lange vorbei."

Einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, Forschung sichtbar zu machen und damit den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern, ist das erklärte Anliegen der "Langen Nacht der Forschung". Und natürlich soll - nicht nur bei Kindern und Jugendlichen - die Begeisterung für das Ergründen, Experimentieren und Entwickeln geweckt werden. An rund 250 Standorten in ganz Österreich wird ein vielfältiges Programm präsentiert, dessen Spektrum von den Naturund Technik- zu den Geistes- und Kulturwissenschaften, von der Grundlagen- bis zur angewandten Forschung reicht. Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind vertreten, um "die gesamte Innovationskette, von der Idee bis zum Produkt, abzubilden", wie Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betont.

Tatsächlich werden an vielen Standorten neue Perspektiven eröffnet - nicht nur in die Vergangenheit, sondern zum Beispiel auch in das Körperempfinden älterer Menschen: An der Technischen Universität (TU) Wien ist es möglich, mittels Helm und Simulationsanzug binnen weniger Minuten drastisch zu altern. Mit dem "Age-Man" schlüpft man in die Haut eines älteren Menschen und kann am eigenen Körper erleben, wie es ist, wenn Gehen, Aufstehen und einfache Verrichtungen verlangsamen oder Hör-und Sehsinn nachlassen. Die hautnahe Erfahrung altersbedingter Einschränkungen dient nicht nur der Alterssimulation zu Forschungszwecken, sondern soll bei Personalschulungen auch die Empathie gegenüber älteren Menschen steigern.

Abenteuer im Flugsimulator

An der TU Graz wird das Fliegen simuliert: Mit zwei hauseigenen Flugsimulatoren, mit denen sonst neue Techniken im Bereich der Flugsicherheit erprobt werden, kann man im Verkehrs-oder Leichtflugzeug eine Runde über Graz drehen: Elektronische Geräte ermöglichen, realistische Flugszenarien nachzustellen. Ebenso wie im "TechLab" in Eisenstadt, wo man mittels Flugsimulator um den Erdball reisen und Start-sowie Landemanöver absolvieren kann.

Wer lieber eine Drohne steigen lässt, erhält auf einer abgesperrten Flug-Arena beim Unternehmen Blue Sparrow in Innsbruck die Gelegenheit dazu. Und wer sich vor Augen führen möchte, wie Industriearbeiter, Skisportler oder vielleicht auch bald der durchschnittliche Passant Datenbrillen nutzen werden, hat beim Kompetenzzentrum evolaris in Graz die Möglichkeit, diese neuen "digitalen Assistenzsysteme" live zu testen. Dass wir Informationen künftig direkt auf der Nase tragen werden, um unseren Arbeitsalltag zu erleichtern und Freizeitaktivitäten noch gezielter planen zu können, davon ist das steirische Unternehmen überzeugt. So könnten die Datenbrillen etwa Servicemitarbeitern dabei helfen, Wartungsund Reparaturarbeiten an Maschinen durchzuführen, indem Anleitungen als Texte, Bilder und Videos abrufbar sind -ohne dafür die Hände in Beschlag zu nehmen. Smarte Schibrillen wiederum sollen das Pistenvergnügen mit Live-Informationen und einem Pisten-Navigationssystem unterstützen.

Am Campus Technik in Innsbruck wiederum werden die Lebensräume im Schnee und Eis alpiner Bergwelten einer genaueren Betrachtung unterzogen. Lebensräume? Wiewohl nicht gerade üppig, gibt es Überlebenskünstler, die mit den extremen Bedingungen sehr gut zurecht kommen: Hart gesottene Organismen wie Gletscherflöhe oder Bärtierchen zum Beispiel, die am Standort mit Mikroskopen zu inspizieren sind - und von den kleineren Besuchern bei einem Modellier-Wettbewerb mit Plastilin nachgebastelt werden können. Auch der Forschungsalltag von Wissenschaftern, die auf oder sogar in Gletschern arbeiten, wird hier nachvollziehbar.

Versuche mit flüssigem Stickstoff

Wie man organische Stoffe durch flüssigen Stickstoff einfrieren kann, ist am Management Center Innsbruck (MCI) zu beobachten. Anhand von Versuchen werden die Möglichkeiten der "Kryokonservierung", des Aufbewahrens durch Einfrieren, demonstriert. Das ist etwa für die Forschung mit Algen relevant, deren Wirkstoffe für die Pharma-oder Kosmetikindustrie interessant sein könnten. Die botanische Algensammlung an der Uni Innsbruck wird daher derzeit einem Wirkstoff-Screening unterzogen. Ist ein Algenstamm gefunden, muss dieser unverändert aufbewahrt werden. Damit sich die Mikroorganismen nicht mehr durch Umwelteinflüsse oder zufällige Mutation verändern, werden sie mit fast - 200 Grad Celsius konserviert, berichtet Harald Schöbel vom Biotechnologie-Department des MCI. Der Zahn der Zeit wird also nicht nur durch das Hallstätter Salz gezogen, wie Schöbel bemerkt: "Bei dieser Temperatur passiert dann nichts mehr."

Lange Nacht der Forschung

Freitag, 22.4., 17-23 Uhr (Eintritt frei) www.langenachtderforschung.at

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