"Das Flickwerk muß ein Ende haben"

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Nach Abrechnung des dritten Quartals (Jänner bis Ende September 1999) schlagen die Krankenkassen nun Alarm. Im Budget fehlen rund 2,5 Milliarden Schilling. Das gesamte Defizit für 1999 dürfte sich somit auf mehr als drei Milliarden Schilling belaufen.

Bereits 1996 mußten Notmaßnahmen - eine kräftige Erhöhung der Rezeptgebühren, die Einführung der Krankenscheingebühr und eine Beitragssteigerung für Pensionisten - die Krankenkassen sanieren. Im Vorjahr betrug der Überschuß noch 1,2 Milliarden Schilling. Doch bereits heuer gehen den Krankenkassen wiederum Milliardenbeträge ab.

Schuld daran, so die Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, sind in erster Linie die gestiegenen Kosten für Medikamente, die heuer gleich mit einem Plus von 2,2 Milliarden Schilling - zwölf Prozent mehr als im Vorjahr - im Budget zu Buche schlagen. Medikamente werden immer teurer und sie werden auch immer öfter verschrieben.

Die Ausgaben für Medikamente lagen nach Angaben der Sozialversicherung 1998 mit 22 Milliarden Schilling (18 Prozent), nach den Aufwendungen für Spitäler und Ärzte, an dritter Stelle. Die Empfehlung der Sozialversicherungsanstalten: Ärzte und Spitäler sollten weniger Medikamente verschreiben, die Österreicher weniger Pulver schlucken und gesünder leben.

Daß es aber mit diesem Aufruf langfristig vermutlich nicht getan sein wird, darüber sind sich Experten einig. Die Gesundheitsausgaben steigen nämlich kontinuierlich. Wurden in Österreich 1960 rund 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Gesundheitsausgaben aufgewendet, so waren es 1997 bereits 8,3 Prozent. Vor allem auf Grund des immer höheren Anteils älterer Menschen und durch laufend neue diagnostische und therapeutische Methoden wird, so prognostiziert auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Finanzierung der nationalen Gesundheitssysteme immer schwieriger.

Auch der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Otto Pjeta, forderte letzte Woche eine Finanzierungsreform, um das "drohende Finanzdebakel" der Krankenkassen abzuwenden: "Wenn man will, daß medizinische Leistungen auch in Zukunft mit der notwendigen Qualität für alle angeboten werden, dann muß das Finanzierungssystem der sozialen Krankenkassen endlich von Grund auf reformiert werden."

Der Kostendruck, so Pjeta, wird immer stärker spürbar, etwa bei den längeren Wartezeiten für Operationen. "Wir kommen nicht darum herum, dem Gesundheitssystem künftig mehr finanzielle Mittel zuzuführen." Kurzfristige Maßnahmen zur Beseitigung von Finanzierungsengpässen seien bedenklich.

Die Vorschläge der Ärztekammer zur Sanierung des Gesundheitssystems: * Zweckbindung der Alkohol- und Tabaksteuer.

* Im Spitalsbereich sollte, ähnlich der Krankenscheingebühr, eine Ambulanzgebühr in der Höhe von 100 Schilling pro Abrechnungszeitraum eingehoben werden.

* Angedacht werden sollte, ob bestimmte Leistungen, die nicht unbedingt für alle Versicherten notwendig sind, aus dem Kassenbereich auszulagern. Die Politik sollte sich in Zukunft die Frage stellen, wie viel und welche Medizin vom Beitrags- und Steuerzahler finanziert werden kann, so der Ärztechef.

* Letztlich müsse auch ernsthaft ,über eine Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge diskutiert werden, um die teure Spitzenmedizin für alle Bevölkerungskreise im gleichen Maße zugänglich zu halten. "Jedenfalls muß das Flickwerk ein Ende haben," so Pjeta.

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