Das Fließen der Zeit als Sujet

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"Der Rosenkavalier" an der Grazer Oper.

Liebe, Lust, Intrige, nach vielerlei Verwirrungen ein Happy End, und dies alles eingebettet in Walzerklänge. Betrachtet man ausschließlich den Plot und die Oberfläche der Musik, ist die Nähe von Rosenkavalier und Wiener Blut, beide derzeit am Spielplan der Grazer Oper, schlagend, und doch könnte der Unterschied nicht größer sein. Trotz Strauss' Nähe zur Operette ist die Leichtigkeit seiner Musik nicht unmittelbar, sondern als musikalisches Pendant zu Hofmannsthals Kunstsprache bewusst herbeizitiert, stilisiert und vielfach gebrochen. Es mischen sich Anklänge an Mozart, Walzer und symphonische Raffinesse. Was in Zeiten strengen Fortschrittsglaubens Kritik einbrachte, wird heute in postmoderner Offenheit als Aktualitätsbonus verbucht.

Zwischen Melancholie, Lebensfreude, Bodenständigkeit und Dekadenz die rechte Balance zu finden, ist die Herausforderung an jede Inszenierung. In Graz gelingt sie professionell. Ann Petersens Marschallin vereint Freizügigkeit und Haltung, Wolfgang Bankls Baron Ochs ist nicht bloß polternder Possenreißer, sondern lässt auch blaues Blut erkennen. Mit einnehmender Natürlichkeit agiert Margareta Klobu als Sophie. Jugendlich zurückhaltend Stephanie Houtzeels Octavian.

Mag pastellfarbener Zuckerguss für Johann Strauß passen - so führt man es zumindest bei Wiener Blut vor -, ist beim Rosenkavalier der Uneigentlichkeit der Emotionen, der reflektierenden Haltung Rechnung zu tragen. Regisseur Marco Arturo Marelli hat eine Spiegelgeschichte auf die Bühne gebracht, die die Künstlichkeit und Doppelbödigkeit des Erzählten betont. Doch nicht um dem Publikum einen Spiegel vorzuhalten, wie es Herbert Wernickes Salzburger Spiegelzimmer suggerierten: Das Fließen der Zeit, das von der Marschallin exponierte philosophische Sujet, wird durch permanente Drehung der Bühne verdeutlicht. Die sich an der Decke spiegelnden Hintergrundbilder wechseln vom verspielten Schlafzimmer zum prächtigen Stadtpalais bis zum heruntergekommenen Beisl und einem herbstlichen Park. Im dritten Akt illustriert der Sprung im Spiegel dezent die Brüchigkeit des Happy Ends. Das Schlussbild verwandelt sich ins Eingangsambiente zurück, was die ewige Wiederkehr des Gleichen demonstriert, die es mit Fassung und Ironie zu tragen gilt.

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