Das flotte Malgenie aus Neapel

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Mit Luca Giordano liefert das Wiener Kunsthistorische Museum zu "El Greco" ein weiteres Ausstellungs-Highlight.

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Mit Luca Giordano liefert das Wiener Kunsthistorische Museum zu "El Greco" ein weiteres Ausstellungs-Highlight.

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Abstoßend und zugleich faszinierend - ein Kämpfer hält in der einen Hand ein Schwert, in der anderen ein abgeschlagenes Haupt. Ein Ausschnitt aus dem Gemälde "Perseus kämpft gegen Phineus und dessen Gefährten", das in seiner Gesamtheit zeigt, wie die Widersacher angesichts des Medusenhauptes versteinern, wirbt derzeit an vielen Plätzen Wiens für eine neue Ausstellung im Kunsthistorischen Museum.

Für Kunstbegeisterte führt diesen Sommer absolut kein Weg an diesem Haus vorbei. Das heurige Angebot ist kaum noch zu überbieten. Während sich die "El Greco"-Ausstellung anschickt, alle bisherigen Rekorde zu brechen und über 300.000 Besucher anzuziehen, hat nun eine umfassende Ausstellung über Luca Giordano (1634-1705) ihre Pforten geöffnet. Sie war bereits in der Heimatstadt des Künstlers, Neapel, zu sehen (furche Nr. 10/2001, S. 19) und wird noch nach Los Angeles übersiedeln. Eine weitere Schau in Madrid wird sich auf das Schaffen Giordanos in Spanien konzentrieren.

Luca Giordano galt als "Wunderkind" und entwickelte sich nach der Heimsuchung Neapels durch die Pest 1656, die viele Künstler und insgesamt die Hälfte der Stadtbevölkerung hinwegraffte, nach Aufenthalten in Rom und Florenz zum bedeutendsten und einflussreichsten neapolitanischen Maler des späten 17. Jahrhunderts. Schließlich holte ihn Karl II., der - von Giordano sehr lebensecht und keineswegs schmeichelhaft porträtierte - letzte Habsburger auf dem spanischen Thron, als Hofmaler nach Spanien.

Der Auftrag zur Vollendung des Escorial erreichte Giordano nicht von ungefähr, als Freskenmaler konnte ihm damals in Europa kaum jemand das Wasser reichen. Auf diesem Gebiet hat er die folgende Künstlergeneration, darunter auch die Großen der Barockmalerei in Österreich - etwa Johann Michael Rottmayr und Martino Altomonte -, geprägt.

Denn noch im 17. Jahrhundert erhielt die Wiener Minoritenkirche das monumentale Altarbild des "Heiligen Michael, der die aufständischen Engel in den Abgrund stürzt" (heute im Bestand des Kunsthistorischen Museums). Relativ früh erwarben das Wiener Kaiserhaus und österreichische und böhmische Adelsfamilien Werke Giordanos, erwähnt sei nur das großartige Bild "Isaak segnet Jakob" der Sammlung Harrach in Rohrau.

Die 90 Bilder und 40 Zeichnungen der Wiener Ausstellung sind aus halb Europa zusammengetragen und zeigen die enorme Vielfalt im Schaffen dieses Künstlers: biblische Themen, allegorische und mythologische Darstellungen, Legenden oder Randthemen der Geschichte, die selten gemalt wurden und denen Giordano eine persönliche Note gab, aber auch Porträts von Format. Dass er sich auf Selbstporträts mit Brille konterfeite, deutet auf das Bestreben des Künstlers hin, sich als "Sehenden" auszuweisen.

Giordanos Spitzname "Luca fa' presto" - so soll ihn sein Malervater zur schnelleren Arbeit aufgefordert haben - drückt aus, wie flink und gewandt er mit dem Pinsel umzugehen verstand. Seine Gegner machten ihm aus diesem Umstand den - nicht berechtigten - Vorwurf der Oberflächlichkeit. Tatsächlich zeichnen sich Giordanos Werke durch eine sehr durchdachte Komposition des Themas, brillante Technik und geradezu umwerfende Farbgebung aus. Man betrachte nur seine "Allegorie der Jugend, die von den Lastern versucht wird".

In jedem Fall ist Giordano ein vielseitiger, auch zu Stilmischungen und sogar zum Imitieren anderer Künstler neigender Maler mit einem offensichtlich phänomenalen optischen Gedächtnis. Was Herodot für die Geschichtsschreibung, das habe Giordano mit dem Pinsel für die Malerei geleistet, hat ein spanischer Kunsthistoriker über ihn gesagt.

Im letzten Saal der Schau zieht das Bild "Hommage an Velazquez für den Conde de Santisteban" aus der Londoner National Gallery die Blicke auf sich. Darin hat sich vorne Giordano selbst verewigt, die Szene mit dem adeligen Fräulein beruht auf einem Entwurf von Giordanos großem Vorgänger am spanischen Hof.

Wie dieser Velazquez spanische Infantinnen malte, ist gleich im Nebenraum zu bewundern. So weist das Kunsthistorische Museum geschickt auf die eigenen Schätze hin, die auch nach dieser sehenswerten Giordano-Ausstellung noch da sein werden.

Bis 7. Oktober 2001.

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