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Am 25. Oktober öffnet die Viennale, Österreichs größtes Filmfest, seine Pforten. Die Festivalmacher um Hans Hurch jubilieren heuer.

Das Jahr 1960 kann als Chiffre für jene kulturhistorische Wende gelten, im Zuge derer Film nicht mehr nur als reine Unterhaltung begriffen wurde, sondern auch als reflektierendes Medium. In diesem Jahr wurde die Viennale gegründet, die heuer zum 50. Mal stattfindet (zweimal fiel das Wiener Filmfestival aus finanziellen Gründen aus). Es war ein holpriger Start. Unter dem sperrigen Titel "Internationale Festwoche der interessanten Filme des Jahres 1959“ wurden acht Langfilme und zehn Kurzfilme aus insgesamt 17 Ländern gezeigt. Doch das Festival geriet schnell in den Verdacht kommunistischer Propaganda (ein damals inflationär erhobener Vorwurf), wurde in "Festival der Heiterkeit“ umbenannt und auch entsprechend programmiert. Erst ab dem Jahr 1968 entwickelte sich die Viennale zu einem ernst zu nehmenden internationalen Festival, das mittlerweile vom österreichischen Publikum erfreulich gut angenommen wird.

Überschattet wurde die heurige Jubiläumsausgabe im Vorfeld von der Kontroverse um zwei Filme von Ulrich Seidl. Der bekannte Regisseur zog "Paradies: Liebe“ und "Paradies: Glaube“ beleidigt zurück, nachdem die Arbeiten zu einer von ihm als unangemessen betrachteten Uhrzeit projiziert werden hätten sollen. Festivaldirektor Hans Hurch berief sich auf die "Autonomie des Festivals“ und die "freie Programmgestaltung“. Es war nicht das erste Mal, dass sich Hurch und ein bedeutender österreichischer Regisseur überwarfen: 2001 bekannte Hurch, ein ästhetisches Problem mit den Arbeiten von Michael Haneke zu haben. Seither lief kein Film des Regisseurs mehr auf der Viennale. Hurch sah sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dem österreichischen Film zu wenig Platz im Programm einzuräumen. So attestierte der Verband der Filmregie Österreich der Viennale jetzt ein "zutiefst befremdliches Verhältnis zum österreichischen Film“. Hurch hingegen verweist darauf, dass der österreichische Film im internationalen Kontext mit über 20 ausgewählten Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen gerade in diesem Jahr überaus gut vertreten sei.

In diesem Jahr werden rund 140 Langfilme gezeigt. Eröffnet wird das Festival mit "Argo“, der dritten Regiearbeit des Schauspielers Ben Affleck. "Bei der Erstellung des Programms arbeite ich mich von Film zu Film mosaikartig vor. Schwerpunkte entwickeln sich erst mit der Zeit heraus“, erläutert Hurch seine Vorgangsweise. Einer dieser Schwerpunkte liegt heuer beim unabhängigen US-Kino der Gegenwart, zum Beispiel "Dark Horse“ (Regie: Todd Solondz), "The Dynamiter“ (Regie: Matthew Gordon), "Meanwhile“ (Regie: Hal Hartley) oder "Rampart“ (Regie: Oren Moverman). Ein anderer Schwerpunkt ist einmal mehr der Dokumentarfilm. Das Verhältnis zwischen Spiel- und Dokumentarfilmen beträgt heuer beinahe 1:1.

Beinahe so viele Dokumentarfilme wie Spielfilme

Das alljährliche Tribute ist dem großen englischen Schauspieler Michael Caine gewidmet, in dessen beispielloser Karriere subtilste und feinste Darstellungskunst neben in Würde absolvierten Auftritten in Filmen steht, die man getrost als schlecht bezeichnen kann. Der dem englischen Arbeitermilieu entstammende Caine machte nie ein Hehl daraus, dass es ihm auch ums Geldverdienen ging und je erfolgreicher er wurde, desto mehr kostete er die Diskrepanz zwischen seiner "Working Class“-Herkunft und der glamourösen Welt des Films aus. "Ich bin der Albtraum jedes Spießers“, sagte er einmal: "Ein Prolet mit Hirn und einer Million Dollar.“ Gezeigt werden unter anderem "Alfie“ (1966, Regie: Lewis Gilbert), mit dem er seinen Durchbruch schaffte, "Hannah and her sisters (1986, Regie: Woody Allen), für den er mit einem Oscar ausgezeichnet wurde und der klassische Gangsterfilm "Get Carter“ (1971, Regie: Mike Hodges). Caine wird aus diesem Anlass Wien besuchen.

Jenem Mann, der in "Get Carter“ für die Kamera verantwortlich war, ist bei der Viennale ein Spezialprogramm gewidmet: Dem 1912 in Wien geborenen Wolf Suschitzky, der 1934 nach England emigrierte und dort zuerst Karriere machte. "Get Carter“ wird am 3. November in Anwesenheit des 100-Jährigen im Künstlerhauskino gezeigt.

Ein weiteres Spezialprogramm ist österreichischen Filmarbeitern in der Sowjetunion gewidmet - ein in der Öffentlichkeit unbekanntes Unterkapitel heimischer Filmgeschichte. Gezeigt werden Filme, die in der UdSSR unter Beteiligung des Filmausstatters Artur Berger (1892-1981) und des Regisseurs Gerbert Rappaport (1908-83), zweier gebürtiger Wiener, entstanden. Nicht unerwähnt sollte die von Jörg Buttgereit kuratierte Science-Fiction- und Horrorschiene "They wanted to see something different“ bleiben, bei der Klassiker wie "Alien“ (1979, Regie: Ridley Scott) oder "The Texas Chainsaw Massacre“ (1974, Regie: Tobe Hopper), aber auch einige trashige B-Movies laufen.

Die heurige Viennale-Retrospektive, die wie immer im Filmmuseum stattfindet, ist Fritz Lang gewidmet (siehe Seite 13 dieser FURCHE). Wie Filmmuseum-Direktor Alexander Horwath scharfsinnig anmerkt, beendete der große Regisseur seine Tätigkeit als Filmemacher just 1960, als die Viennale gegründet wurde und im Kino die Ära der Selbstreflexion begann.

Viennale

Vienna International Film Festival

25. Oktober bis 7. November 2012

www.viennale.at

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