Das Geheimnis des Presserats

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Nach neun Jahren ohne allgemein anerkanntes Organ freiwilliger medialer Selbstkontrolle verfügt Österreich wieder über einen Presserat. Doch Österreich unterwirft sich nicht dem Presserat. Diese Missachtung durch eine Tageszeitung, die sich den Namen der Republik anmaßt, ist der kleinere Geburtsfehler der neuen Beschwerdestelle. Das größere Handicap liegt in ihrer Verfassung. Sie fesselt den Presserat derart, dass ausgerechnet seine erste Entscheidung nur Österreich, nicht aber Österreich bekannt wird.

Rechnungshofpräsident Josef Moser fühlte sich durch die Berichterstattung jenes Blattes herabgesetzt, das soeben durch einen frei erfundenen Bericht über "Wetten, dass ..?" aufgefallen ist. Der Presserat entschied am Montag über die Beschwerde, teilt sein Urteil im "amtswegigen Verfahren" aber satzungsgemäß nur der Zeitung und nicht einmal dem Antragsteller mit. Derart führt sich die Instanz ad absurdum. Denn die einzige Strafe, die sie vergeben kann, ist Veröffentlichung von Fehlleistungen.

Zum Vergleich: Der deutsche Presserat hat in seiner jüngsten Sitzung 15 Rügen ausgesprochen. Sie betreffen von der Bild bis Tina ein Spektrum aus Tagesboulevard bis Frauenillustrierte. In 14 Fällen ging es um eine unklare Trennung von Redaktion und Werbung. Europas größte Tageszeitung hat die Persönlichkeitsrechte eines Mordopfers verletzt. Nachzulesen unter www.presserat.info.

Andreas Koller, der stellvertretende Chefredakteur der Salzburger Nachrichten unterstützt den neuen österreichischen Presserat. Nun blogt er aber anlässlich des geheimen ersten Urteils, ohne Statutenänderung bleibe nur noch die Hoffnung auf WikiLeaks. Koller ist Österreichs Journalist des Jahres. Ohne wirksamere Form der Selbstkontrolle ist das höchste Gut aller gut(willig)en etablierten Medien endgültig dahin - die Glaubwürdigkeit.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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