Das große Abwarten der Kirchenreformer

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Mit der Exkommunikation der "Wir sind Kirche"-Vorsitzenden Martha Heizer sind die Reformbewegungen in der katholischen Kirche Österreichs zum ersten Mal seit längerem auch außerhalb der Kirche wieder im Gespräch. Eine Bestandsaufnahme.

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Mit der Exkommunikation der "Wir sind Kirche"-Vorsitzenden Martha Heizer sind die Reformbewegungen in der katholischen Kirche Österreichs zum ersten Mal seit längerem auch außerhalb der Kirche wieder im Gespräch. Eine Bestandsaufnahme.

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Es ist drei Jahre her, dass die Pfarrer-Initiative mit dem "Aufruf zum Ungehorsam" den katholischen Reformern in Österreich neuen Schwung verliehen hat. Das kämpferische Auftreten der Pfarrer rund um Helmut Schüller machte das kleine Österreich auf der katholischen Weltkarte etwas größer. Nach dem Aufruf kehrte allerdings weitgehend Ruhe ein -bis zur Exkommunikation der "Wir sind Kirche"-Vorsitzenden Martha Heizer Anfang Juni, die in den Augen mancher die Reformbewegung in zwei Lager spaltet.

Die beiden anderen großen Reformorganisationen in Österreich, die Pfarrer- und die Laieninitiative zeigen sich - mehr oder weniger - solidarisch mit Heizer, die durch einen Vorstandsbeschluss inzwischen auch an der Spitze von "Wir sind Kirche" bestätigt wurde. Helmut Schüller sagte zuletzt in einem Interview mit religion.ORF.at, dass es zwar in der Pfarrer-Initiative zur Sache keine einheitliche Meinung gebe, die Strafe der Exkommunikation aber klar abzulehnen sei. Ähnlich auch Laieninitiativen-Vorsitzende Margit Hauft zur FURCHE: Zu den privaten Messen möge man stehen, wie man wolle, aber "die Exkommunikation ist ein absolut antiquiertes Instrumentarium, das heute keinen Platz mehr hat".

Auch Kritik an Heizer

Die meiste Kritik am Verhalten Heizers kommt indes aus den Reihen von "Wir sind Kirche" selbst. Heizers Vorgänger Hans Peter Hurka bezeichnet ihr Vorgehen im Gespräch mit der FURCHE als "doppelte Provokation" - nämlich einerseits durch ihr Handeln an sich und andererseits durch die Entscheidung, dieses öffentlich zu machen. "Wir haben uns im Kirchenvolk die Position eines ernstzunehmenden Gesprächspartners der Bischöfe erarbeitet, und diese ist durch diese Exkommunikation zumindest wackelig geworden", so Hurka. Auch sein Ausscheiden aus dem Vorstand vor einigen Monaten habe damit zu tun, dass er kein Fan der "einfachen Provokation" sei und die "mühevolle Kleinarbeit" der alltäglichen Arbeit an der Basis vorziehe.

Abgesehen von der Exkommunikation war es in den vergangenen Monaten dennoch relativ ruhig um die Reformorganisationen in der katholischen Kirche Österreichs. Hauptursache dafür ist die neue Situation in Rom: Papst Franziskus setzt immer wieder Zeichen, die durchaus im Sinne der Reformer verstanden werden können. Wenn der Papst zum Beispiel -wie jüngst gegenüber dem austro-brasilianischen Bischof Erwin Kräutler - "mutige Vorschläge" im Kampf gegen den Priestermangel von seinen Bischöfen einfordert, dann lässt sich das durchaus in Richtung eines Überdenkens des Pflichtzölibats interpretieren. Wenn er von Barmherzigkeit spricht, liegt der Brückenschlag zu wiederverheirateten Geschiedenen nahe.

Vom Papst links überholt?

"Die Reformbewegungen sind in der ungewohnten Situation, dass sie vom Papst fast schon links überholt werden", sagt dazu der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner: "Die Schritte, die Franziskus setzt, nehmen ihnen den Wind aus den Segeln und sind sicherlich Erklärung dafür, warum man momentan eher eine abwartende Stille aus diesem Bereich wahrnimmt." Auch Hauft spricht von "Signalen aus Rom, die sehr erfreulich sind.

Gerade für die Reformbewegungen sei es jetzt wichtig, "mit den Hoffenden mitzuhoffen und mitzuwarten. Aber nicht endlos".

Ein Punkt, auf den sich derzeit viele Blicke aus dem Bereich der katholischen Reformorganisationen richten, ist die Bischofssynode, die im Herbst im Vatikan stattfinden wird und im Vorfeld derer der Vatikan überall auf der Welt die Gläubigen nach ihrer Einstellung zu Familienthemen befragen ließ. Das Ergebnis war eindeutig: Die Lebenswelt der Katholikinnen und Katholiken hat mit der Lehrmeinung der Kirche nur noch wenig zu tun. Umso gespannter wartet man nun darauf, was mit den Ergebnissen der Umfrage im Herbst passiert.

Das größte Fragezeichen sind in diesem Zusammenhang die Bischöfe. Schüller etwa bezeichnete im ORF-Interview zuletzt die Suche nach Bischöfen, die bereit sind, den Papst um die Erlaubnis für "Experimente" zu bitten, als eine der dringendsten Aufgaben für die Pfarrer-Initiative. Auch Margit Hauft sieht den Episkopat weltweit gefordert. Der Papst habe deutlich gemacht, dass er sich die Bischöfe nicht als "Filialleiter", sondern als "Ideengeber" wünsche. "Die Schwierigkeit dabei ist aber, dass die derzeit amtierenden Bischöfe noch aufgrund ganz anderer Kriterien ausgewählt wurden. Das ist auch für sie eine große Herausforderung", so Hauft.

Vor allem "Arbeit von unten"

Ähnliches hatte sich die Laieninitiative auch schon bei ihrer Gründung im Jahr 2009 erhofft. Als damals die ehemaligen ÖVP-Politiker Erhard Busek, Andreas Khol und Herbert Kohlmaier die Initiative vorstellten, hieß es, man würde "eine Situation herbeiführen, die nicht mehr übergangen werden kann", wenn die Bischöfe sich nicht gesprächsbereit zeigten. Die drei bekannten Gesichter an der Spitze der Laieninitiative haben sich inzwischen zurückgezogen - nur Kohlmaier sitzt nach wie vor im Vorstand. Hauft klingt heute auch wesentlich zurückhaltender: "Leidenschaftliche erste Sätze sind das eine, aber dann kommt auch der Alltag mit seinen Niederungen", sagt sie. Vieles sei versucht worden, doch die Ignoranz bei den Bischöfen sei groß. Heute sehe man die eigenen Aufgaben anderswo: "Wenn schon kaum Möglichkeit besteht, bei den Bischöfen anzukommen", so Hauft, "dann halte ich es für ganz wichtig, möglichst viele Menschen dazu zu motivieren, sich für Veränderung einzusetzen und einfach Dinge auszuprobieren." Auch das Zweite Vatikanische Konzil hätte keine Reformen bewirken können, wären nicht schon zuvor an der Basis gewisse Dinge erprobt worden.

Diese Arbeit "von unten" ist es, was die Reformorganisationen in Österreich eint - auch wenn das weitgehend ohne große öffentliche Aufmerksamkeit geschieht. Man stehe beratend zur Verfügung, wenn es um die Auswirkungen von Strukturreformen in den Diözesen gehe, heißt es. Man mache sich Gedanken über Modelle von Gemeindeleitung abseits von großen Pfarrverbänden. All das sei mühsam, sagt Hurka: "Ich gestehe das ganz offen: Die Reformbewegungen haben mit dem Glaubensvolk ein mindestens so großes Problem wie mit den Bischöfen. Es ist schwierig, hier zu mobilisieren und die Leute dazu zu bringen, auch selbst die Dinge in die Hand zu nehmen." Immerhin arbeiten die Reformer zusammen: Seit einigen Jahren gibt es einen "Jour fixe" der Vorsitzenden von "Wir sind Kirche", der Pfarrer-und der Laieninitiative sowie der "Priester ohne Amt". Darüber hinaus veranstalten die Reformorganisationen seit 2011 jährlich einen gemeinsamen "Studientag". Heuer beschäftigt sich dieser im November in St. Pölten mit dem Thema "Frauen in der Kirche. Gleiche Würde - gleiche Rechte!".

Vielleicht diskutieren die Teilnehmer dann nach der Bischofssynode schon unter etwas anderen Voraussetzungen. Zumindest scheinen das derzeit mehr Menschen zu hoffen als in der Vergangenheit. "Wir kommen jetzt aus einer längeren Zeit, in der die Leute dieser Kirche keine Chance mehr gegeben haben", sagt Margit Hauft. "Jetzt sagen viele: 'Also wenn der wirklich an die wichtigen Sachen herangeht, dann kann ich mir vorstellen, wieder Mitglied dieser Kirche zu werden.' Da wird sehr viel an Hoffnung aufgebaut." Doch es gibt auch eine Kehrseite. Denn, so Hauft, wenn sich herausstellen sollte, "dass sich diese Hoffnung nur in einem neuen Vokabular und bescheidenerer Kleidung erschöpft, dann wird die Enttäuschung umso größer sein". Bis zur Bischofssynode bleibt es also weiterhin beim großen Abwarten.

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