Das gute Gesicht des deutschen Katholizismus

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Die medial inszenierte Gesellschaft weidet sich seit jeher am Kampf zwischen Gut und Böse. Auch in der politischen wie in der kirchlichen Auseinandersetzung gibt es Rollen, in die einzelne Protagonisten schlüpfen, und die von den Medien lustvoll perpetuiert werden. Da ist etwa der Kölner Kardinal Joachim Meisner, der zum "Bösen" in diesem Spiel taugt, und dem man alles Reaktionäre am Katholizismus umhängen kann. Zugegeben: Meisner fügt sich auch selbst mit großem Geschick in diese Rolle.

Der Gute in dieser Inszenierung heißt Kardinal Karl Lehmann. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz kommt den Medien-Regisseuren aber unversehens abhanden, weil er - seine kürzlich ausgebrochene schwere Herzkrankheit als Grund anführend - diesen Vor- sitz per 18. Februar zurücklegt (Bischof von Mainz bleibt er weiter): "Ihm folgt ein langer Winter" - zu solch klimatischer Prognose verstieg sich etwa die Berliner tageszeitung in einer ersten Aufwallung.

Dass Karl Lehmann auch ein Medienstar war, genauer: dass er die mediale Verkörperung des "guten" Katholizismus darstellte, mag auf den ersten Blick verwundern. Denn sein verschachtelter Satzbau sprach allen Regeln medialer Kommunikation ebenso Hohn wie seine "Reibeisen"-Stimme, die TV-Trainern Schweißperlen auf die Stirne treiben konnte.

Karl Lehmann mag aber ein Beispiel dafür sein, dass persönliche Authentizität kommunikationstechnische Kunstgriffe aufwiegen kann. Und diese Authentizität, einen weltoffenen, lebensnahen Katholizismus gegen eine katholische Restauration und Resignation hochzuhalten, kann schon heute als großes Verdienst Lehmanns gelten, der mit mehr als 20 Jahren auch der längstdienende deutsche Bischofs-Vorsitzende ist.

Der 1936 im württembergischen Sigmaringen Geborene studierte in Freiburg und Rom Theologie und Philosophie. Ab 1962 war er beim II. Vatikanum Mitarbeiter des Konzilsberaters Karl Rahner, später an den Universitäten München und Münster auch dessen Assistent. 1968 wurde Lehmann in Mainz, drei Jahre später in Freiburg auf den Dogmatik-Lehrstuhl berufen. 1983 wählte ihn das Domkapitel von Mainz zum Bischof, vier Jahre später kürten ihn seine Amtsbrüder zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz.

Karl Lehmann wagte in seiner Amtszeit einige Kämpfe mit Rom, was ihm vom Mainstream des deutschen Katholizismus hoch angerechnet, von der konservativ-rabiaten Minderheit jedoch stark angekreidet wurde. 1993 versuchte er mit dem dieser Tage verstorbenen Freiburger Erzbischof Oskar Saier und dem mittlerweile zum Kurienkardinal aufgestiegenen Walter Kasper, neue Wege in der Pastoral wiederverheirateter Geschiedener zu gehen - und wurde dafür von Rom unter Glaubenshüter Joseph Ratzinger ebenso zurückgepfiffen wie bei der Auseinandersetzung um die Schwangerenkonfliktberatung 1999.

Dass Lehmann zwei Jahre später dann doch Kardinal wurde, überraschte viele, aber auch da musste hinter den Kulissen einiges vorgefallen sein: Als Johannes Paul II. am 23. Jänner 2001 die Namen neuer Kardinäle bekanntgab, war Lehmann nicht darunter. Aber eine Woche später schob der damalige Papst - in völlig unüblichem Usus - noch weitere Namen nach, und Karl Lehmann errang endlich auch jene "römische" Anerkennung, die ihm nach Meinung des Gros' der deutschen Katholiken längst gebührte. ofri

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