Werbung
Werbung
Werbung

Regisseur Antú Romero Nunes und sein Dramaturg Florian Hirsch haben viel gelesen, viel Joseph Roth und ein wenig Stefan Zweig, um aus der Literatur jener Welt von Gestern Konturen des heutigen Europa zu zeichnen. Herausgekommen ist ein Abend mit dem einschlägige Erwartungen heraufbeschwörenden Titel "Hotel Europa oder Der Antichrist". Dieses "Projekt frei nach Joseph Roth", wie es der Untertitel gleich einschränkend umschreibt, hat nun bei seiner Premiere am Akademietheater einen mehr als zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Hauptverantwortlich dafür ist, dass man auch nach zwei überwiegend zäh sich ziehenden Stunden nicht so recht eine Ahnung davon bekommt, was eigentlich erzählt werden soll.

Mitunter starke Bilder

Die Bühne (Matthias Koch) hat die Form eines sich nach hinten perspektivisch stark verjüngenden schwarzen Kastens, mit einem bedrohlich geschlossenen Portal an seinem Ende. Darauf nuscheln zwei Darsteller (Michael Klammer, Fabian Krüger) und zwei Darstellerinnen (Katharina Loren, Aenne Schwarz) abwechselnd und frontal zum Publikum gerichtet lange Monologe, spielen kleine, teilweise köstliche Szenen, wobei Nunes mitunter starke Bilder gelingen.

In ihren dunkelvioletten Pagenuniformen, den kahlgeschorenen Köpfen und den mächtigen josephinischen Backenbärten sind die Figuren einander nicht nur zum Verwechseln ähnlich, womit auch ausgiebig gespielt wird, sie haben auch eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit Joseph Roth. In dessen zeitdiagnostischen, Mitte der Dreißigerjahre überaus düsteren Weltbeschreibungen und Zustandsanalysen wollen die Autoren auch unsere heutigen Verwerfungen sehen. Da ist die Rede von großen Umbrüchen, drohender Barbarei, dem Zerfall der Werte, von Marginalisierungsängsten und solchen des finanziellen Ruins, vom Fremdsein in der Welt. Gegen Ende fallen die Darsteller immer öfter aus ihrer Rolle, um das unvermeidliche Thema der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte zu referieren. So sympathisch und darstellerisch virtuos hier Michael Klammer die kleinbürgerliche Spießigkeit geißelt, für gemeinsame Werte, Barmherzigkeit und Großzügigkeit plädiert, seine ambivalente Problematisierung bleibt angesichts der realen Probleme vor allem eines: unterkomplex. So bleibt die politische Hellsicht, die Roth in seinen (nicht zuletzt alkoholbedingten) Delirien in geniale Literatur umwandelte, diesem Projekt weitgehend äußerlich.

Hotel Europa

Burgtheater, 18., 19., 27. Dez.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung