"Das ist gespenstisch"

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Eine der prägendsten Symbolfiguren der österreichischen Frauenbewegung, Johanna Dohnal, wird 70. Die frühere Frauenministerin im Interview über das zähe Vorankommen in der Gleichstellung von Mann und Frau und ein Déjà-Vu bei so manchen Themen.

Sie halte alles für eine gute Idee, wo sich was rühre, sagt Johanna Dohnal im FURCHE-Interview, das in ihrem Haus in Mittergrabern im niederösterreichischen Weinviertel geführt wurde. Aber rührt sich auch was?

Die Furche: Frau Dohnal, man hat den Eindruck, in der Frauenpolitik herrscht Stillstand. Teilen Sie die Einschätzung?

Johanna Dohnal: Da bin ich ambivalent. Die letzten turbulenten Jahre sind ja unterschiedlich zu beurteilen. Ich finde schon, dass Doris Bures als Frauenministerin (2006 bis 2008, Anm.) wirklich was weitergebracht hat - trotz der widrigen Umstände. Sie konnte natürlich auch nicht alles reparieren, was in den Jahren davor unter der schwarz-blauen Regierung bewusst zerstört wurde. Das war halt eine andere Politik, keine, die an die Wurzeln gegangen ist: Maßnahmen zu setzen unter dem Zeichen der eigenen Existenzsicherung der Frau.

Die Furche: Von der jetzigen SP-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat man bis jetzt nicht viel gehört.

Dohnal: Ich bin davon überzeugt, dass in dieser Regierung einiges möglich sein wird. Ja, Frauenpolitik ist nicht das große Thema. Es kommt aber doch immer wieder. Es wird zwar in der Bildungspolitik - die zentral für Frauen ist - einige Widerstände geben, aber es geht stetig was weiter.

Die Furche: Aber sehr zäh …

Dohnal: Ja, das wundert mich nicht. Ich habe das jahrelang selber erlebt.

Die Furche: Fehlen die jungen Dohnals, hartnäckige Persönlichkeiten, die sich trauen anzuecken?

Dohnal: Naja, es hätte wahrscheinlich eh noch viel mehr Sachen gegeben, wo man anecken hätte müssen. Mein Resümee nach so langer Zeit seit meinem Ausscheiden aus der Politik ist sowieso: Ich hätte mir viel weniger gefallen lassen dürfen. Es hätte ein paar härterer Aktionen bedurft.

Die Furche: Was hinderte Sie daran?

Dohnal: Die Rücksichtnahme auf das Ganze, das Eingebundensein in eine Partei.

Die Furche: Sie haben während Ihrer 16 Jahre als Frauenstaatssekretärin und Frauenministerin doch schon mit massiven Widerstand zu kämpfen. Wäre denn mehr Aufmüpfigkeit realistisch gewesen?

Dohnal: Ich glaube im Rückblick betrachtet schon. Ich hätte anders auftreten können, auch stärker zuspitzen.

Die Furche: Mehr gegen die Parteilinie?

Dohnal: Ja, das ist die logische Folge. Oder sagen wir nicht Parteilinie, sondern gegen die Linie derer, die mir Schwierigkeiten gemacht haben und nicht verstehen wollten, warum beim Thema Gewalt gegen Frauen oder Kinderbetreuung endlich was weitergehen musste. Da waren wir schon sehr weit, aber der Widerstand der ÖVP war noch viel zäher. Der Bedarf für mehr Kinderbetreuungsplätze war da, aber jeder Vorstoß wurde niedergemacht. Wenn damals meine Partei unter Kanzler Vranitzky stärker dafür eingetreten wäre, dann wäre mehr gegangen. Was ich damals erreichen konnte, war die so genannte "Kindergartenmilliarde", die nicht einmal eine Milliarde war. Ich bin nicht sicher, ob die Gelder wirklich überall für die Schaffung neuer Betreuungsplätze verwendet wurden. Dann kam der Regierungswechsel und die "Milliarde" wurde sofort gestrichen.

Die Furche: Jetzt gibt es sie wieder. Manche Themen aus den 80er und 90er Jahren sind gleich geblieben, etwa die Einkommensschere. Die jetzige Regierung spricht in ihrem Programm von einem "Nationalen Aktionsplan zur Gleichstellung" der Frauen am Arbeitsmarkt. Das könnte aus den 80er Jahren stammen.

Dohnal: Ja, da hatte ich auch Aha-Erlebnisse. Ich habe vor kurzem Sequenzen aus einer Pressestunde mit mir vom Mai 1980 angeschaut. Es ist gespenstisch, wie sich Themen und Argumente zur heutigen Diskussionen ähneln.

Die Furche: Woran könnte es liegen, dass es so zäh weitergeht? Manche sagen, die Frauen haben alles getan, jetzt sind endlich die Männer dran, ihre Rollen zu überdenken.

Dohnal: Das stimmt. Es braucht Maßnahmen, dass es wieder zum Thema wird. Es ist viel passiert, aber sind auch neue Problemfelder dazugekommen. In der Zeit, als ich die Verantwortung gehabt habe, setzte auch eine Umgestaltung der ganzen Welt ein. Ich sage nur als Stichwort: Sozialschmarotzerdebatte. Das war massiv gegen Frauen. Da hatte ich massiv zu kämpfen. Bei uns in Österreich hat es sich an der Frage des erhöhten Karenzgeldes für Alleinerzieherinnen zugespitzt, dabei war das seinerzeit als begleitende Maßnahme zur Fristenlösung eingeführt worden. Das wurde bekämpft! Da war auch die Unterstützung meiner Partei nicht ausreichend, auch so ein Beispiel. In den 90er Jahren setzte dann jene Welle ein, deren Auswirkungen wir jetzt erleben: weniger Staat, mehr Privat.

Die Furche: Parallel zu dieser Tendenz haben die Frauen im Bereich Bildung stark aufgeholt. Heute gibt es das Modewort "Alphamädchen": junge Frauen, gebildet, selbstbewusst, die mit der Frauenbewegung kaum was anfangen können.

Dohnal: Ja, das höre ich immer wieder. Ich denke schon, dass es differenzierter ist, weil für viele, die glauben, es geschafft zu haben, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder nach dem ersten Kind der Knick kommt. Von denen, die es tatsächlich schaffen, würde ich mir erwarten, dass sie ihrerseits Frauen fördern.

Die Furche: Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass viele junge Frauen zu angepasst sind. Sie müssen sich mehr mit dem eigenen Leben beschäftigen als mit dem Kämpfen für Frauenrechte auf der Straße.

Dohnal: Es gibt diese jungen Frauen schon auch. Es war immer nur ein kleiner Teil, der sich wirklich aktiv betätigt hat. Ich habe immer wieder Kontakt mit der Parteijugend. Die können sich heute artikulieren, die analysieren die Situation, ich konnte das in diesem Alter nicht.

Die Furche: Viele der jungen Frauen kennen Sie nicht mehr. Kränkt Sie das auch?

Dohnal: Das ist doch klar; das kränkt mich nicht.

Die Furche: Mit dem Alter kommt dann für viele Frauen die oft zitierte gläserne Decke. Was haben Sie gedacht, als die einzige Rektorin einer öffentlichen Uni in Österreich, Ingela Bruner, kürzlich zurückgetreten ist?

Dohnal: Der Verdacht ist bei mir immer da, dass was stinkt. Aber ich habe das nicht genau verfolgt. Seriöserweise müsste ich mehr darüber wissen.

Die Furche: Es scheint keine Frauensolidarität zu geben.

Dohnal: Diese hat man immer von den Frauen eingefordert, ohne dazuzusagen, dass damit zumeist eine allumfassende Schwesterlichkeit gemeint war, die männliche Macht und Privilegien nicht angriff. Das geht schon sehr stark ins Psychologische.

Die Furche: Sehen Sie nicht Frauen zu stark als Opfer?

Dohnal: Ich kenne jene, die mir das vorwerfen. Die müssten selber für sich überlegen, ob sie nicht auch in den unterschiedlichen Lebenssituationen Opfer sind und waren.

Die Furche: Aber grundsätzlich?

Dohnal: Was hindert Frauen, die zu den "Nicht-Opfern" gehören, daran, für die Verbesserungen des Lebens für alle Frauen zu kämpfen. Denn ohne Kampf gegen die konservativen Finsterlinge in allen Parteien, in den Universitäten, in den Betrieben und in den Kirchen, geht es ja nicht.

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