Das Jahr 2000 ist kein gewöhnliches Schaltjahr

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"Das Himmelsjahr" und "Der Sternenhimmel" behandeln wieder ein faszinierendes Thema.

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"Das Himmelsjahr" und "Der Sternenhimmel" behandeln wieder ein faszinierendes Thema.

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Das Jahr 2000 wird bekanntlich ein Schaltjahr sein. Aber warum eigentlich? Neun von zehn Leuten antworten wie aus der Pistole geschossen: Weil sich die Zahl 2000 durch vier teilen läßt. Läßt sie sich, trotzdem ist die Antwort falsch. Denn alle durch 100 teilbaren Jahre sind, obwohl auch durch vier teilbar, keine Schaltjahre. Daher waren die Jahre 1700, 1800 und 1900 keine Schaltjahre, und auch das Jahr 2100 wird keines sein. Dann wäre das Jahr 2000 also auch kein Schaltjahr?

Wäre es an sich nicht. Doch als am 24. Februar 1582 Papst Gregor XIII. mit der Bulle "Inter gravissimas" die Ersetzung des Julianischen Kalenders durch den Gregorianischen Kalender verkündete und anordnete, zehn Tage zu überspringen, trat auch eine Ausnahme von der Ausnahme in Kraft. Danach sind alle durch 400 teilbaren Jahre eben doch Schaltjahre. Diese Regel wird im kommenden Jahr zum zweiten Male angewendet. Das Jahr 1600 war ein Schaltjahr, 2000 wird eines sein, erst das Jahr 2400 ist wieder ein durch 100 teilbares Schaltjahr.

Und welcher Tag ist nun eigentlich der Schalttag? Der 29. Februar? Wieder falsch. Es ist der 24. Februar. Genau genommen wird er kirchenoffiziell vor dem 24. Februar eingeschoben. Die folgenden Tage verschieben sich samt ihren Heiligen um einen Tag. Der Matthias vom 24. auf den 25., und so fort. Aber viele aktuelle Kalender, zum Beispiel der Tierschutzkalender, geben für diese Tage die falschen Heiligen und für den 29. Februar fälschlich den Schalttag an.

Alle Jahre wieder erscheinen sie, die beiden schönen kleinen Bände, die für jeden Himmelsfreund ein Muß sind: "Das Himmelsjahr" des deutschen Kosmos-Verlages und "Der Sternenhimmel" aus dem Schweizer Verlag Birkhäuser sind die bekanntesten Jahrbücher dieser Art. Und immer, wenn sich ein solches anbietet, steht ein Thema im Vordergrund und wird besonders ausführlich behandelt. Im Vorjahr war es die Sonnenfinsternis vom 11. August 1999. Diesmal stürzen sich die Autoren, abgesehen von der totalen Mondfinsternis am 21. Jänner, auf das Kalenderthema. Schaltjahre mit zwei Nullen sind schließlich noch seltener als in unseren Breiten sichtbare Sonnenfinsternisse. Und die sind selten genug.

Überdies ist das Kalenderthema in mehr als einer Hinsicht interessant. Zunächst einmal historisch. Daran läßt sich darstellen, wie sich im Lauf dreier Jahrtausende das Verständnis der Menschen für den Jahreslauf der Sonne, des Mondes und der Fixsterne immer mehr vertiefte. Zugleich kann sich der astronomische Laie anhand des Kalenderproblems die höchst vertrackte, höchst abstrakte, zugleich höchst faszinierende Himmelsmechanik vergegenwärtigen.

Beide Bücher stellen also den Kalender in den Vordergrund. Sie tun dies aber auf so verschiedene Weise und ergänzen sich dabei so gut, daß sich die Ansicht des Rezensenten wieder einmal bestätigt: "Himmelsjahr" und "Sternenhimmel" sind keine Frage des Entweder-oder, sondern wer ein gestandener Sternenfreund ist, der hat gern beide. Das Kosmos-Buch ist populärer, eingängiger, verständlicher. Dafür bietet der Band des Hauses Birkhäuser die aufbereiteten Beobachtungsdaten für jeden Tag mit so vielen "alltäglichen Himmelsereignissen", daß man schon mit einem besseren Feldstecher ständig etwas beobachten kann.

Doch zurück zum Gregorianischen Kalender. Papst Gregor hatte eine für die damalige Zeit beeindruckende Schar von Gelehrten einberufen. Die besten Köpfe seiner Zeit sollten sich die Köpfe über das leidige Kalenderproblem zerbrechen. Ein leidiges Problem war es deshalb, weil der von Julius Cäsar eingeführte Julianische Kalender damals bereits um zehn Tage nachging. Das Osterfest sollte am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang gefeiert werden. Doch war zu Ostern bereits für jedermann deutlich erkennbar, daß sich der Mond längst in der abnehmenden Phase befand.

Ursache der Kalamität ist die Tatsache, daß die Erde nicht in genau 365 Tagen die Sonne umkreist, sondern dazu um rund sechs Stunden länger braucht. Für die von Papst Gregor einberufenen Gelehrten war es dabei völlig gleichgültig, ob die Erde um die Sonne kreist oder umgekehrt. Es ging einfach darum, einen Kalender zu schaffen, der die langsame Zunahme des Kalenderfehlers immer wieder ausglich, damit nicht der Jahresbeginn eines Tages in den Hochsommer fiel. Die vierhundertjährige Periode des Gegorianischen Kalenders gewährleistet nun tatsächlich eine Genauigkeit von einem Tag in rund 3.000 Jahren. (Die Wanderung des Frühlingspunktes durch die Ekliptik in rund 30.000 Jahren hat damit nichts zu tun.)

Selbstverständlich gab es erhebliche Widerstände gegen den Befehl aus Rom, zehn Tage aus dem Kalender zu streichen. Zumal es der Papst nicht der Mühe wert fand, die Anordnung zu begründen: Roma locuta, causa finita. Rom hat entschieden, der Fall ist erledigt. Bei den nicht in die Kommission Gregors berufenen Gelehrten begann eine große Lausklauberei. Nur Johannes Kepler, welcher der protestantischen Religion nahestand, war trotzdem sofort dafür. Erst 20 Jahre nach Gregors Bulle erschien die Schrift von Clavius, der die Vorteile des neuen Kalenders den Gebildeten eingehend erläuterte: "Explicatio Romani Calendarii a Gregorio XIII. Pontifex Maximus restituti". In die Zeit zwischen Befehl und Erklärung fiel übrigens die öffentliche Verbrennung von Giordano Bruno nach einem siebenjährigen Inquisitionsprozeß am 17. Februar 1600 in Rom. Neben ketzerischen theologischen Ansichten war er auch angeklagt, weil er die Unendlichkeit des Weltalls gelehrt und angenommen hatte, auch auf anderen Himmelskörpern würden Menschen leben.

Die Bürger waren gegen den neuen Kalender, weil eine allgemeine Verwirrung entstand. Die Bauern waren dagegen, weil im Kalender "neuen Styls" plötzlich die Lostage nicht mehr stimmten. Die Protestanten sahen nicht ein, warum sie sich vom Papst einen neuen Kalender aufzwingen lassen sollten. In Pamphleten wurde Gregor vorgeworfen, er wolle den Sternen Vorschriften machen. Er maße sich an, Jesus Christus so zu verwirren, daß er nicht mehr wisse, wann der Jüngste Tag gekommen sei. Die Durchsetzung des neuen Kalenders dauerte denn auch recht lang. Nur in Italien, Spanien, Frankreich, Portugal, Luxemburg und Polen wurde er 1582 sogleich eingeführt. Das katholische Bayern folgte ein Jahr später, das katholische Österreich und die Schweiz zwei Jahre später, das protestantische Deutschland, Norwegen und Dänemark ließen erst im Jahr 1700 auf den 18. Februar den 1. März folgen. In Großbritannien ließ man 1752 die Tage vom 3. bis 13. September ausfallen, Finnland und Schweden schlossen sich ein Jahr später an, Japan folgte 1873 und Rußland 1918, wodurch die Novemberrevolution zur Oktoberrevolution wurde. Am längsten ließen sich Griechenland (bis 1924), die Türkei (bis 1926) und Ägypten (bis 1928) Zeit.

Das herausragende Himmelsereignis des kommenden Jahres wird die totale Mondfinsternis in den frühen Morgenstunden des 21. Jänner sein, die in Mitteleuropa während ihres ganzen Verlaufes gut beobachtet werden kann - vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.

Das "Das Kosmos Himmelsjahr 2000" ist auch heuer sowohl nur als Buch wie auch mit der für PC (ab Win 95) und Mac geeigneten CD-ROM zu haben. Ein besonderer Vorteil ist hier die Möglichkeit, Beobachtungsdaten ortsabhängig abzufragen. Dazu gibt es allerhand Animationen sowie eine Sammlung von Sprungstellen zu astronomischen Informationen im Internet.

Eine weitere empfehlenswerte Ergänzung zu den Jahrbüchern für Himmelsfreunde ist "Der grosse BLV Himmelsführer" von Ian Ridpath. Er enthält besonders ästhetisch gestaltete Karten aller Sternbilder mit allem, was für den Amateur gut beobachtbar ist: Doppelsterne, offene und kugelförmige Sternhaufen, Nebel, Galaxien, und zwar sowohl für die Nord- als auch die Südhalbkugel. Dazu findet man Monatsführer und einen ausgiebigen allgemeinen Teil, der astronomisches Grundwissen vermittelt.

Kosmos Himmelsjahr 2000. Von Hans-Ulrich Keller (Hg.) und Erich Karkoschka, Verlag Franckh-Kosmos, Stuttgart 1999, 270 Seiten, reich bebildert, brosch., öS 181,- (mit CD-ROM 291,-) / E 13,15 (21,14) Der Sternenhimmel. Von Hans Roth (Hg.). Verlag Birkhäuser, Basel 1999. 384 Seiten, reich bebildert, brosch., öS 291,- / E 21,14 Der grosse BLV Himmelsführer. Von Ian Ridpath, BVL Verlag, München 1999, 224 Seiten, reich bebildert, kt., öS 291,- / E 21,14

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