"Das Kleine" stellt die großen Fragen

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Es geschieht jederzeit und überall. Es ist das Alltäglichste und das Außergewöhnlichste zugleich: Ein Kind kommt zur Welt. Und die, die schon da sind, bestaunen es, als wäre es geradewegs vom Himmel gefallen. Irgendwie ist es das ja auch. Zumindest fühlt es sich für die Beteiligten genau so an. Im neuen Bilderbuch der argentinischen Künstlerin Isol sind jedenfalls Mama und Papa rechtzeitig zur Stelle, um das Kleine aufzufangen -"Nicht fallen lassen!", "Ich hab's, ich hab's!" - und ihm ersten Halt zu geben, während das größere Geschwister knapp und klar kommentiert, was denn da, von welchem Planeten auch immer, gelandet ist: "Ein E.T.!" Ein Befund, dem auf den kommenden Seiten Erkenntnisse und Erklärungen folgen, wie man mit so einem Außerirdischen umzugehen habe -eine Art Handbuch also für den richtigen Umgang mit den Kleinsten, allerdings aus ungewohnter Perspektive. Mögen andere Bücher für Kinder mit fachkundigen Erläuterungen und detaillierten Illustrationen zum Thema "Der Mensch, sein Körper und sein Wesen" punkten, hier regieren vorrangig Witz und Poesie.

Warmherzig und pointiert

Denn das Kleine ist voller Geheimnisse. Es verfügt über eine starke Sirene, kann im Gesicht eine winzige Pumpe zum Saugen und Lutschen aktivieren, und legt alles, was es sieht und hört, in seinem tragbaren Speicher ab. Überdies besitzt es hypnotische Kräfte: Setzt es sie ein, beginnen die Leute um es herum zu lächeln, halten einen aufgeräumten Haushalt für nicht mehr ganz so wichtig und vergessen, welcher Tag nach Dienstag kommt.

Isol ist eine Meisterin der Reduktion. Ein knapper Text, in dem jedes Wort passgenau sitzt, auch in der Übersetzung von Karl Rühmann. Beeindruckende Bilder, in denen mit wenigen Strichen und Farbflächen, gehalten in warmen Orange-und Brauntönen, Menschen und ihre Gefühle pointiert eingefangen werden.

"Das Kleine" ist ein humorvolles und warmherziges Buch, das seinem Publikum auch die ganz großen Fragen stellt. Da sehen wir dann das Kind vor der Geburt im Bauch der Mutter sitzen und dort, wo eigentlich der Geburtskanal beginnen sollte, hält das Kind ein Lenkrad in der Hand. Darunter lesen wir: "Wusste das Kleine am Anfang seiner Reise, wohin es wollte? Oder kam es durch Zufall in dieses Haus?"

IsolsumfangreichesWerkistvielfachausgezeichnet, unter anderem mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis, der höchstdotierten Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur. Gerade einmal vier ihrer Bücher sind momentan in deutscher Sprache lieferbar, drei davon im Verlag Jungbrunnen. Weil dort Bücher nicht nur für eine Saison verlegt werden, sondern für eine Backlist mit Bestand. Mit ein Grund, warum "Das Kleine" bleiben wird.

Das Kleine Bilderbuch von Isol Übersetzt von Karl Rühmann Jungbrunnen 2018 64 S., geb.€ 19,00

Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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