Das Konzept ist die Kunst!

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Wenn die Idee ausgestellt wird, nicht das sinnlich wahrnehmbare Werk: Zu einer Ausstellung in der Generali Foundation.

Die Werke der Kunst sind komplexe Gebilde. Selbst dann, wenn sie als besonders einfach anmutende Objekte daherkommen. Gerade diese oft der Banalität bezichtigten Werke ließen ein mitunter verzweifeltes Suchen nach Kriterien anheben, die klarstellen sollten, welche Werke nun tatsächlich der Kunst zuzuzählen seien und welche diese Zuschreibung nicht verdienen. Das Ergebnis lässt sich in der Zwischenzeit im Umfang einer mittelgroßen Bibliothek nachlesen.

Ist das Kunst?

Aber nicht nur die Nachdenker über Kunst beschäftigte diese Frage, die Kunstschaffenden selbst lieferten mit ihrer Auswahl dessen, was sie von den Vorgängern übernahmen und was sie ablehnten und durch neue Lösungen ersetzten, ständig einen Beitrag zur Beantwortung. Dabei stand die Beurteilung der formalen Erscheinungsweise des Kunstwerkes im Vordergrund. So kann man gut argumentieren, dass Paul Cézanne mit seiner Zurückweisung der seit der Renaissance sakrosankten Perspektive zwar damit auch die Vorstellung einer Berechenbarkeit der Welt ad absurdum führte, aber er tat es ausdrücklich malerisch und wurde auch aufgrund seiner Qualitäten und Neuerungen bezüglich der konkreten Anordnung von Farbflecken auf der Leinwand wahrgenommen.

In den ausgehenden 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts trat dann eine Generation von Kunstschaffenden auf den Plan, die mit der Idee, die künstlerische Qualität hänge von der dementsprechenden Realisierung ab, gründlich aufräumte. Lawrence Weiner, einer ihrer Hauptvertreter, brachte das neue Ansinnen anlässlich eines seiner Projekte auf den Punkt: "Die Arbeit: Schwimmfähige Objekte, die über sieben Jahre in binnenländische Wasserwege geworfen wurden, ist bereits zur Zeit der Ausstellung beendet. Es ist die Idee dahinter, die ausgestellt wird, nicht eine spezifische Serie."

Die Idee ausstellen

Aber wie stellt man eine Idee aus? Die aktuelle Schau in der Generali Foundation belegt einmal mehr, dass man bei dieser Herausforderung auf eine eigene erfolgreiche Geschichte zurückgreifen kann, wenngleich die "Vorfahren" dazu bereits um die vierzig Jahre alt sind. Erstmals konsequent als "Ausstellung" vorexerziert wurde dieses Unterfangen nämlich vom New Yorker Galeristen Seth Siegelaub - sofern die Bezeichnung Galerist hier angebracht ist -, der zu seiner Veranstaltung One Month 31 Künstler zur Teilnahme einlud. Diesen stellte er drei Möglichkeiten der Beteiligung frei: einmal dass der Name und eine Beschreibung der angestrebten Arbeit, dann dass der Name ohne relevante Informationen oder dass nicht einmal der Name Eingang finden kann in die Publikation, die in Form eines einfachen Abreißkalenders gestaltet war, und die gleichzeitig auch die "Ausstellung" markierte.

"Konzeptuelle Kunst"

Wer bislang, ein Bild in Händen haltend, noch der Versuchung aufgesessen war, die Kunst für etwas im wörtlichen Sinn Begreifbares zu halten, weil traditionellerweise das Wahrnehmbare selbst als Kunstwerk bezeichnet wurde, wurde nun eines Besseren belehrt. Die konzeptuelle Kunst - unter dieser Bezeichnung firmieren diese Werke der Kunst - lenkt die Aufmerksamkeit der Rezipienten weg von dem unmittelbar, weil auch mit den Händen Begreifbaren, hin zum nur mental Vorstellbaren. Mit dieser Verschiebung wird die konzeptuelle Kunst aber auch zu einem wichtigen Modell der interpretierenden Beschäftigung mit Kunst überhaupt.

Diese Radikalisierung der Kunst durch die Kunstschaffenden blickt aber nicht nur auf jene Vorkämpfer zurück, die innerhalb des bildnerischen Systems die eine oder andere Revolution ausgerufen haben. Bekanntlich hat bereits Wassily Kandinsky seine Ausarbeitung einer ungegenständlichen Malerei damit begründet, dass seine Bilder "geistige" Realitäten darstellen. In seinen autobiografischen Schriften schreibt er dazu: "Die Entstehung des Werkes ist kosmischen Charakters. Der Urheber des Werkes ist also der Geist. Das Werk existiert also abstrakt vor seiner Verkörperung, die den menschlichen Sinnen das Werk zugänglich macht. Für diese Verkörperung ist jedes Mittel recht. Also die Logik ebenso wie die Intuition."

"Fetisch der Sichtbarkeit"

Der stark von der Theosophie beeinflusste Kandinsky öffnet hier beispielhaft einen Weg, der von seiner theoretischen Unterfütterung bis in das neuplatonische System von Plotin aus dem dritten Jahrhundert nach Christus zurückreicht, bei dem alles Sinnliche und Materielle als abgestufte Ausflüsse aus dem perfekten und guten "Einen" eine latent negative Zuschreibung erfahren. Trotz dieser alten Wurzeln blieben die bildenden Künstler grosso modo bis zur Konzeptkunst dem "Fetisch der Sichtbarkeit" (Thomas Crow) hörig, wenngleich man einige Anreger im Vorfeld ausmachen kann.

Kunst ohne Kunstwerk

Man könnte dabei sicherlich bereits zur Zeit des Manierismus ansetzen, in der erstmals klar zwischen dem "concetto", dem Entwurf, und dem ausgeführten Werk getrennt wurde, aber wirklich relevant wird das Ansinnen erst im 20. Jahrhundert. So hatte einmal mehr Marcel Duchamp mit seinem Unglücklichen Ready-made einerseits Sprache als Kunstwerk benutzt und gleichzeitig das Kunstwerk durch Sprache ersetzt. Er sandte aus Buenos Aires eine Anleitung zu diesem Ready- made an seine Schwester nach Paris: ein Geometriebuch hätte auf dem Balkon ihrer Wohnung aufgehängt werden sollen.

Ähnlich gab Lászlo Moholy-Nagy bereits im Jahr 1922 die Anweisung zur Herstellung eines Kunstobjektes telefonisch an eine Porzellanmanufaktur durch. Weiter präsentierte Robert Rauschenberg die ausradierte Zeichnung seines Malerkollegen Willem de Koonig und Yves Klein stellte in der vollständig ausgeräumten Galerie von Iris Clert die "Leere" als unmittelbares Phänomen aus und übersetzte es nicht mehr mittels Farbschlieren auf irgendeinen Bildträger. Die Minimal Art reduzierte ihre Formen auf eine Handvoll elementarer stereometrischer Muster wie Kubus und Würfel und die Land Art, die in riesigen Dimensionen arbeitete, griff oft auf Fotografie und Film zu Dokumentationszwecken zurück. Bereits in vielen dieser Arbeiten blieb das Kunstwerk als Werk ausgespart.

Nicht ohne sinnliche Ebene

Eine Interpretationsschiene sah in diesem forcierten Verzicht einen Prozess der Entmaterialisierung. Aber auch wenn man in Rechnung stellt, dass der konzeptuelle Aspekt im Werk gegenüber dem wahrnehmbaren eindeutig hervorgehoben wird, dass das physikalische Kunst-Objekt zu Gunsten der dahinter liegenden Idee vernachlässigt wird und dass der Innovationsanspruch auch auf Seiten des Konzeptes und nicht auf Seiten der materiellen Ausführung angesiedelt wird, so bleiben auch Konzeptkünstler auf eine sinnlichen Ebene angewiesen, so gering diese auch sein mag und so sehr sie auch dagegen ankämpfen.

Die Ausstellung in der Generali Foundation führt es auch vor, allenthalben sinnlich wahrnehmbare Texte, Diagramme, Grafiken, Fotografien, akustische Aufnahmen und Filme - paradigmatisch ablesbar am Beitrag von Goran Trbuljak. Ähnlich wie Christopher D'Arcangelo möchte er eine vollständige Auflösung vollziehen, dieser hatte als seinen Beitrag bei einer Gruppenausstellung seinen Namen aus der Installation, aus dem Katalog und aus der Pressemappe entfernt.

Künstlername gelöscht

Die Gleichsetzung von D'Arcangelo und Lücke funktioniert aber logisch nur insofern, als dass sie ausgewiesen wird. Folgerichtig präsentierte sich Trbuljak zumindest als "Anonymous Conceptual Artist", in lupenreiner Schriftästhetik der 70er Jahre ausgeführt. Aus diesem Grund ging man auch im begleitenden Symposium einer "Kunst nach der Konzeptkunst" nach, und nicht zuletzt in der Publikation dazu wird klar, dass dieses "nach" nicht nur zeitlich gemeint ist, sondern dass damit auch die Gefolgschaft heutiger Kunst gegenüber den Vorgaben der klassischen Konzeptkunst angesprochen wird.

... und so hat Konzept noch nie Pferd bedeutet

Generali Foundation

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien

http://foundation.generali.at

Bis 17. 12. Di-So und Feiertage 11-18, Do 11-20 Uhr

Publikation: Alexander Alberro, Sabeth Buchmann (Hgg.), Art After Conceptual Art. Köln 2006, 272 Seiten, e 27,-

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