Das lebensgefährliche Leben

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Seit Mai müssen auch hierzulande Zigarettenpackungen mit sogenannten Schockbildern von kaputten Organen und dem Hinweis "Rauchen ist tödlich - hören Sie jetzt auf" bedruckt werden. Ich bin keine Zigarettenraucherin, ich rauche im Sommer gerne Zigarillos (die von der Abschreckungskampagne bis jetzt noch ausgenommen sind), aber ich mache mir trotzdem so meine staatsfeindlichen Gedanken. Allein die Gewöhnung an eine absurde Zumutung macht diese nämlich noch nicht weniger absurd. Gut, der Staat will seinen Bürgern nicht bloß verbieten, andere zu schädigen, sondern auch sich selbst. Die Staaten der EU sind, das wissen wir, auf die Einnahmen aus der Tabaksteuer angewiesen, deshalb wird der Verkauf der Zigaretten nicht verboten, sondern das Rauchen bloß durch allerlei fiese Tricks vermiest. Die Regierungen möchten nicht nur ihre Finanzminister glücklich sehen, sondern auch ihre Gesundheitsminister. Das ist aber nicht die einzige Inkonsequenz. Weshalb müssen auf den Speisekarten neben der Auflistung von Schweinsbraten mit Knödel und Wiener Schnitzel mit Pommes keine Bilder von sklerotischen Arterienquerschnitten prangen? Warum werden die Weinbauern nicht dazu gezwungen, 65 % der Bouteillenoberfläche mit klinischen Dokumenten einer Leberzirrhose zu schmücken? Wieso werden Neuwagen nicht von Gesetzes wegen mit Fotos von zerstückelten Kinderleichen und dem Aufdruck "Autofahren ist tödlich - hören Sie jetzt auf" versehen?

Bis es so weit ist, hat die Gegenwehr der Raucher und Trafikanten meine Sympathie. Man behilft sich mit Schutzhüllen und Werbeaufklebern gegen das ungustiöse Memento mori. Widerspenstige sammeln auch Sprüche zum Drüberkleben. Ich könnte da zwei Weisheiten von Friedrich Torberg empfehlen: "Vom gesunden Leben kann ich nicht leben." Oder: "Auch Nichtraucher müssen sterben."

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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