Das Museum wird zum Zeichenbrett

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Die Zeichnung hat das Papier verlassen: Als Installation und an Wand und Decke stellt die Albertina relevante Strömungen der letzten Jahre in den Fokus der aktuellen Ausstellung. 36 Positionen werden gezeigt. Einige Zeichnungen sind direkt vor Ort entstanden.

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Die Zeichnung hat das Papier verlassen: Als Installation und an Wand und Decke stellt die Albertina relevante Strömungen der letzten Jahre in den Fokus der aktuellen Ausstellung. 36 Positionen werden gezeigt. Einige Zeichnungen sind direkt vor Ort entstanden.

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Eine Rolltreppe aus Draht, Videoarbeiten und eine Skulptur aus Klebestreifen - all dies und noch viel mehr sollen Zeichnungen sein? Ja, die Ausstellung "Drawing Now: 2015" in der Albertina zeigt, wie die Zeichnung ihren angestammten Platz auf dem Papier verlassen hat und an die Wand, die Decke, in den Raum, auf Videos und vieles mehr gegangen ist. "Drawing Now" möchte eine Bestandsaufnahme der relevanten Strömungen der vergangenen zehn Jahre abgeben, 36 Positionen werden gezeigt. Einige davon sind direkt vor Ort entstanden, andere extra für die Schau, ein Künstler, Nikolaus Gansterer, macht an ausgewählten Terminen sogar Liveperformances. "Wir wollten diesmal keine Sammlungsausstellung, sondern einen Eindruck davon geben, in welche Richtung Zeichnung heute gehen kann", sagt Kuratorin Elsy Lahner zur FURCHE. "Natürlich hätte man dabei viele Künstler zeigen können und ist dadurch angreifbar, aber ich habe aus europäischer Perspektive jene genommen, die immer wieder aufgetaucht sind." Präsentiert werden solche, deren Hauptbetätigungsfeld die Zeichnung ist, dabei hat man sich keinen globalen Anspruch gestellt, und es war wichtig, dass Österreicher vertreten waren, beschreibt Lahner. Auch wollte man nicht bereits oft gezeigte Künstler wie William Kentridge und Robert Longo ausstellen, sondern Künstler und Strömungen von heute zeigen. Der Schwerpunkt liegt auf solchen, die in den 60ern und 70ern geboren wurden.

Filzsstift, Draht und Legoturm

"Natürlich hätte man doppelt so viele Künstler und mehr nehmen können, aber ich glaube, dass man so einen guten Eindruck bekommt", so Lahner. Gleich zu Beginn der Schau, gegenüber der realen Rolltreppe, wird man von Fritz Panzers Drahtrolltreppe empfangen. "Was wie eine schnelle Skizze aussieht, hat in Wahrheit sehr lange gedauert", sagt Lahner. Drahtobjekte hat auch Constantin Luser geschaffen, der zudem direkt an die Wand der Albertina gezeichnet hat, die übereinander gelegten Linien verdoppeln sich dadurch nochmals. Gegenüber hat Aleksandra Mir gemeinsam mit weiteren Künstlern eine riesige Filzstiftarbeit geschaffen, auf Kollaboration gehen auch die Legoturm-Wirbelstürme von Los Carpinteros zurück. Ob Dan Perjovschis an die Wand gezeichnete Slogans mit Song-Contest-Bezug, Robin Rhodes Street Art-Einschlag oder Andrea Bowers fotorealistische Wiedergabe von Demonstranten, die für das Recht auf Abtreibung oder gegen Atomenergie kämpfen und die sie durch Freistellen hervorhob, aber auch Marcel van Eedens an Film noir gemahnende Werke - vieles kann Zeichnung sein, zeigt die Schau. "Mich fasziniert an der Zeichnung, dass sie sehr komplexe Inhalte sehr simpel darstellen kann - und umgekehrt", beschreibt Kuratorin Lahner. Ignacio Uriarte hat das allseits bekannte Gekritzel aus Langeweile zum Kunstwerk erhoben, indem er dieses zu riesigen ovalen Formen anwachsen ließ. Zudem hat Lahner sich im Kapitel über imaginierte Bildwelten Künstlern gewidmet, die ihr Papier bearbeiten: Sandra Vásquez de la Horra, die ihre Zeichnungen mit Bienenwachs überzieht, oder - andersherum - Toba Khedoori, die das Papier zuerst in Wachs taucht und dann hinein ritzt. "Khedoori arbeitet auf im Atelier liegenden Papier, jedes Staubkorn, jedes Haar, das dabei darauf kommt, gehört zum Werk dazu", so Lahner. Michaël Borremans seinerseits zeichnet auf Briefumschläge und Buchdeckel: "Er holt uns durch seine Arbeitsweise ganz an seine Werke heran und thematisiert dadurch auch, dass man bei Zeichnungen eben näher kommen sollte", sagt Lahner. "Bei manchen seiner Bilder möchte man ob der unklaren Inhalte - sind es Leichenteile? - aber gleich wieder zurück..."

Wiederholung des Konzepts geplant

Mannigfaltig sind die Varianten der Zeichnung: Ob Paul Nobles minutiös ausgeführte Fantasiestadt Nobsen oder Sonja Gangls fotorealistisch festgehaltene Filmkader mit "The End", ob Tacita Dean, deren Arbeit hier angeeignetes Material thematisiert, oder Werke von Anna Barriball, die fast objekthaft wirken. Noch einen Schritt weiter geht Monika Grzymala: "Raumzeichnungen" nennt sie ihre Arbeiten, sie hat mit eigens für sie erzeugtem Klebeband dicke, sich kreuzende Linien von einer Wand zur anderen gezogen. Sogar im Außenraum wird die Ausstellung fortgesetzt, die Albertina ist zum Zeichenbrett geworden, indem Rainer Prohaska in "Drawing an Orange Line" orange Gurte um das Palais gespannt hat. Klar wird: Zeichnung kann heutzutage unzählige Facetten haben. Es würde jeden Rahmen sprengen alle derzeitigen Strömungen zu zeigen. Schon jetzt ist geplant, das Ausstellungskonzept in unregelmäßigen Abständen zu wiederholen.

Drawing Now: 2015

bis 11. Oktober

Albertina

täglich 10-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr

www.albertina.at

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