Das Nutzlose im Paarlauf erobert

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Zwei Ausstellungen zeigt die Innsbrucker Galerie im Taxispalais, die doch eine sein könnten: Sonia Leimer und Herbert Hinteregger setzen sich mit der Erkundung von Räumen künstlerisch auseinander.

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Zwei Ausstellungen zeigt die Innsbrucker Galerie im Taxispalais, die doch eine sein könnten: Sonia Leimer und Herbert Hinteregger setzen sich mit der Erkundung von Räumen künstlerisch auseinander.

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Die aktuelle Ausstellung in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais ist eigentlich zwei - werden mit der Bildhauerin Sonia Leimer und dem Maler Herbert Hinteregger doch zwei Positionen kombiniert, die auf einen ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben.

Auf den zweiten merkt man, dass es sowohl der Südtirolerin Sonia Leimer als auch dem Nordtiroler Herbert Hinteregger um die Erkundungen von Räumen geht, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Strategien. Obwohl sie ihre Konzepte komplett unabhängig voneinander entwickelt haben, funktioniert ihr Paarlauf auf irritierende Art und Weise perfekt. Das macht die Schau spannend.

Sockel und Skulpturen

Die 40-jährige Bildhauerin breitet sich im gesamten oberen Geschoß der Taxisgalerie aus, der um sieben Jahren ältere Hinteregger in der Hofhalle. Er legt seine Bilder auf einen riesigen weißen Sockel, während seine Kollegin in den von ihr bespielten vier Räumen weiße, von schwarzen Linien durchzogene Performanceböden ausgebreitet hat. Sozusagen als Bühne, auf der ihre technisch anmutenden Skulpturen stehen oder liegen, auf der sich aber auch der Betrachter bewegt und auf diese Weise zum Teil der Installation wird, und sie vielleicht verändert. Und er wird durch ein auf einem Bildschirm flimmerndes Video angeregt, sich wie die dort 1959 im Rahmen eines wahrnehmungspsychologischen Experiments mit ganz ähnlichen Objekten jonglierenden Schimpansen in der "Eroberung des Nutzlosen" zu versuchen.

In Raum zwei hat Sonia Leimer Asphaltstücke von Wiener Straßen gelegt. Die Spuren der Benützung, die zahlreichen Verletzungen, die die Zeit auf ihnen hinterlassen hat, machen Geschichte und Geschichten erahnbar und verdichten sich zu malerischen und grafischen Strukturen, die diese Relikte der banalen Wirklichkeit eindrucksvoll wie abstrakte Gemälde daherkommen lassen. Man scheut sich, sie zu betreten, - unbewusst versucht der Ausstellungsbesucher, Strategien zu ihrer Umrundung zu entwickeln. Dieses Problem stellt sich einen Raum weiter nicht: Hier hat die Künstlerin Keramikvasen aus den Sechzigerjahren auf lange, leicht federnde Metallstäbe gesteckt. Was die auf diese Weise entstehenden Objekte zu skurrilen Blumen macht oder vielleicht auch zu Satelliten, die im luftleeren Raum die Erde umkreisen.

Sonia Leimer mag es, historische Ereignisse zum Anlass zu nehmen, um über das Heute nachzudenken. Sie thematisiert in "Neues Land" die Eroberung der Arktis durch die Russen mittels eines Atom-Eisbrechers oder lässt zwei russische Kosmonauten auf die Erde schauen, während wir auf Stahlträgern sitzen, die bequem gepolstert sind, überzogen mit Stoffen, die mit Zeichen sowjetischer Propaganda aus der Zeit des Kalten Kriegs bedruckt sind.

In der Hofhalle hat Herbert Hinteregger seine Bilder ausgebreitet. Sehr große genauso wie ganz kleine, gepuzzelt zu einer vielteiligen, reizvoll zu einer Einheit verwachsenden Assemblage, ausgebreitet leicht aus der Achse verschoben auf einer niedrigen Bühne, die fast den gesamten Raum ausfüllt. Was alle Sequenzen verbindet, ist, dass sie mit der Tinte von Kugelschreibern gemalt sind. Einem Material, das seit Hintereggers Wiener Akademiezeit seine Obsession ist. Er liebt dessen Eigenschaft, den Strich verschwinden zu lassen, seinen metallischen Schimmer, den Effekt, scheinbar immer feucht zu sein.

Unbegrenzte Varianten

Die Möglichkeiten, diesem Material, der Kugelschreibertinte, ständig neue Varianten zu entlocken, scheinen unbegrenzt zu sein. Da gibt es ganz dichte, monochrome oder wolkige Flächen genauso wie streifig oder gitterartig zelebrierte, aber auch solche, die fast wie Pfützen daherkommen. Als Malgrund verwendet der Künstler hier Spiegel, andere sind auf Leinwände, Tüll, Holz oder Papiere gemalt, was die Haptik der Bilder grundlegend wandelt. Genauso wie wenn der Kugelschreiberfarbe andere Materialien wie Sand oder Korrekturflüssigkeiten beigemischt sind. Die über das Glasdach der Hofhalle hinauswachsende Stirnwand der Hofhalle hat Hinteregger mit Tausenden ihrer Tinte beraubten Kugelschreiberhüllen gespickt, was zwar höchst dekorativ daherkommt, letztlich aber gerade deshalb entbehrlich wäre.

Sonia Leimer: Autoterritorium und Herbert Hinteregger: Untitled (Flow) bis 11.6., Galerie im Taxispalais, Innsbruck Di bis So 11-18 Uhr, Do bis 20 Uhr www.galerieimtaxispalais.at

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