Das Problem liegt bei uns in Österreich"

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"Der Bub ist beim Fenster gestanden" - ein harmloser Satz? Für Germanistikstudenten im Ausland könnte er aber negative Folgen haben, wie jutta ransmayr erklärt.

Die Furche: Sie haben in Ihrer Arbeit festgestellt, dass das österreichische Deutsch zwar als sympathisch, aber im Zweifelsfall als falsch angesehen wird. Wo liegen die Ursachen für das Imageproblem?

Jutta Ransmayr: Die Ursache Nummer eins ist zu wenig Wissen. Es wissen die Uni-Lehrer zu wenig darüber, diese bilden die Studenten aus, die später vielleicht Deutschlehrer an Schulen werden. Von daher ist es ein Teufelskreis. Die ganze Ausbildung im Ausland ist sehr auf Deutschland fokussiert. Immer wieder wird das Bundesdeutsche als Norm unterrichtet und wiedergekäut.

Die Furche: Die plurizentrische Sichtweise der deutschen Sprache setzt sich also nicht durch …

Ransmayr: Das es eine plurizentrische Sichtweise gibt, also drei gleichwertige Varietäten, ist nur die Theorie, längst abgehakt und besprochene Sache; aber dort, wo Fremdsprachenlernen passiert - Schule, Universität -, ist dies nicht durchgedrungen. Zudem kursiert die Meinung, das Österreichische sei eben ein Dialekt und kein Standard. Das hängt mit dieser monozentristischen Sichtweise zusammen. Es gibt nur eine Norm, dann muss das andere Dialekt oder Substandard sein.

Die Furche: Liegen die Ursachen dafür, dass Tschechien und Ungarn dem österreichischen Deutsch positiver gegenüberstehen, nur in der Geschichte und geografischen Nähe?

Ransmayr: Es gibt sicherlich mehr Austausch. Es gibt aber auch einige Dinge im Wortschatz, die gemeinsam sind. Tschechische Befragte haben viele Ausdrücke aufzählen können, weil vor allem in Südböhmen viele Begriffe den österreichischen Wörtern ähnlich sind. Im Küchenbereich etwa gibt es viele Ähnlichkeiten. Einerseits ist es also die Geografie und Geschichte. Andererseits setzt Österreich aber in den mittel- und osteuropäischen Ländern seit 1989 sehr viele sprach- und kulturpolitische Aktivitäten.

Die Furche: Wie schätzen Sie die Arbeit des Österreich Institutes ein? Ist das genug an Sprachmarketing?

Ransmayr: Das Österreich Institut macht, was es kann. Aber es sollte kein Einzelkämpfer sein. Es müsste eine Initiative von weiter oben geben, die diese ganzen Institute, Institutionen und Einzelkämpfer - sprich: Wissenschafter, die in diesem Bereich forschen - zusammenfasst und eine gemeinsame Aktion startet. Sonst kocht jeder sein eigenes Süppchen. Dass es ein Imagedefizit gibt, ist auch den meisten bewusst, die im Bereich Sprache und Kultur arbeiten. Aber es gibt keine durchkomponierte Aktion. Von den Stellen ganz oben, auf Ministeriumsebene, wird das Problem nicht wirklich als wichtig eingestuft.

Die Furche: Woran liegt das?

Ransmayr: Ich glaube, dass im Bereich Kultur die Sprache einen geringeren Stellenwert einnimmt. Und zwar Sprache im pädagogischen Sinne. Sprache im Bereich Literatur und Lesungen hat sicher einen hohen Stellenwert, da gibt es viele Aktivitäten. Aber dieser Sprachvermittlungsbereich wird als sekundär betrachtet. Der Bereich der schönen Kultur - Literatur, Kunst und Theater - funktioniert ja bestens und wird auch toll aufgenommen. Aber die Sprachvermittlung spielt da nicht so hinein.

Die Furche: Spielt auch das mangelnde Selbstbewusstsein der Österreicher hinsichtlich ihrer Sprache eine Rolle?

Ransmayr: Wahrscheinlich gibt es die Meinung, dass es tatsächlich so ist, dass die Österreicher weniger gut Deutsch sprechen, sprich: man sollte sich ja wirklich an den Deutschen orientieren. Es ist ja nicht so, dass nur im Ausland die Bösen sitzen, die uns arme Österreicher sprachlich nicht wirklich als gleichrangig mit den Deutschen betrachten, sondern das Problem liegt bei uns zu Hause. Erstens ist auch den Österreichern das österreichische Deutsch viel zu wenig bewusst. An unseren Schulen ist das österreichische Deutsch überhaupt kein Thema - auch nicht unter Lehrern. Es hat auch unter Pflichtschullehrern überhaupt keinen Platz. Ich habe nur eine Pädak mit einer Lehrveranstaltung gefunden, die sich mit dem Thema Plurizentrik der deutschen Sprache auseinander gesetzt hat. Auch im Germanistikstudium kann man die ganze Thematik völlig umgehen. Man kann also als Deutschlehrer in den Beruf gehen und ein ganz falsches Bild haben. Dort müsste man ansetzen.

Die Furche: Erschweren die vielen Dialekte das Auslandsbild?

Ransmayr: Es wird alles in einen Topf geschmissen, weil man gar nicht weiß, was "österreichisches Deutsch" sein soll. Ich habe einen Kommentar von einer französischen Professorin bekommen: "Ja was ist denn das österreichische Deutsch überhaupt? Ist das die Summe aller Dialekte, oder ist ein Dialekt vorrangig, wir wissen nicht, was es ist." Diese Antwort war kein Einzelfall. Es wird zwischen Standardsprache, die es sehr wohl gibt, und der umgangssprachlichen sowie der dialektalen Ebene nicht getrennt. Es ist einfach ein Dialekt. Die Standardsprache, die schriftliche Sprache, die Mediensprache in Österreich wird aber dem deutschen Deutsch zugerechnet.

Die Furche: Welchen Rat würden Sie einem jungen Sprachlehrer geben, der ins Ausland aufbricht?

Ransmayr: Es kann schon zu Situationen kommen, wo man als Muttersprachler einen Rechtfertigungsbedarf hat. Man sollte, wenn man als Sprachlehrer ins Ausland geht, die Thematik vorher kennen. Sonst steht man sehr schnell im Eck. Es ist wichtig, dass man im Vorhinein ordentlich argumentieren kann. Man soll jetzt auch nicht alle Lektoren zuhause scharf machen und mit wehenden Fahnen ins Ausland schicken. Aber ein gewisses Handwerkzeug - etwa ein umfassenderes österreichisches Wörterbuch, das es leider noch nicht gibt - sollte er oder sie in der Reisetasche haben.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

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