Das schandbarste Deutsch der Welt

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Eine Erregung über die rückgrat-, gesichts- und charakterlose Sprache der Österreicher.

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Eine Erregung über die rückgrat-, gesichts- und charakterlose Sprache der Österreicher.

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Doktor Vranitzky erzählt oft und gerne, daß ihn ein asiatischer Staatsmann einmal gefragt hat, warum die Österreicher keine eigene Sprache entwickeln, denn ein Land, meint der Asiate, manifestiere sich am besten durch eine eigene Sprache.

So unrecht hat der Herr aus dem Osten gar nicht: Deutsche reden deutsch, Franzosen französisch und selbst die Schweizer sprechen ihr Deutsch, das sie Schwyzerdütsch nennen und auch im Theater, im Film, bei Radio und Fernsehen verwenden. Holländisch sprechen die Niederländer, das ist wohl eine Abart des Deutschen, aber ein zur eigenen Sprache erhobener Dialekt.

Nur wir Österreicher, seit den Habsburgischen Jahrhunderten und den Metternichschen Spitzeleien ein Volk von Minderwertigkeitskomplexlern, wir sprechen das gemischteste, schandbarste Deutsch auf dieser Welt. Nicht das noch erträgliche Kuddelmuddel der alten Monarchie (Böhmisch, Ungarisch, Ruthenisch, Jiddisch, Italienisch und so fort), sondern die gesichtslose Alltags-Anpassungssprache. "Vor Ort" wird "hinterfragt", wo ein "Event" stattfindet, es wird "bye byet" und "getschüst", daß einem die Galle hochklettert. Wieso auch nicht hochklettern, wir gehen ja schon längst nicht mehr hinauf in den zweiten Stock, sondern hoch. Dabei geht mir der Hut hinauf.

TV-Deutsch zum Weichklopfen, wenn schon sonst nix - Sprachanschluß ist geplant und wird exekutiert. Wir haben uns, durch Ö3-Schnoddrigkeit ermattet, längst abgewöhnt, Erdäpfel und Karfiol zu verlangen und ziehen uns nur mehr Blumenkohl, Kartoffelcrockies und Kartoffelchips rein. Kartoffelklöße: Ich weine um jeden einzelnen Erdäpfelknödel, ums Erdäpfelgulasch und den Bramburischmarrn. Jeder Tropfen Sauce, die zur Tunke wurde, fehlt mir, und kräftige Rinderbrühe mag halt ein Rindsuppenfan nicht. Bald werden die Nockerln verschwinden und niemand wird wissen, was ein Beiried oder ein Hieferschwanzl war. Sie wissen schon jetzt nicht, verzeihen Sie, sie Armer.

Oft frage ich Leute, die sonst ganz vernünftig sind, merkt Ihr denn nicht, wie man Euch manipuliert? Bis nachher, auf bald, die nächste Hotline und die nächste Joke-hour. So wenig Stolz, so wenig Rückgrat habe ich meinen Landleuten nicht zugetraut. Soll ich ver- oder nur zweifeln, oder genügt es, wenn ich mich für uns alle ein bißchen schäme?

Begreift doch: Wir verlieren unsere Eigenheit, unsere Eigenart und unsere Identität, wenn die roten Rüben zur roten Bete werden, Kletzen zu Schrumpfbirnen verkommen. Bewahrt uns den Häuptelsalat, der Kopfsalat ist ungenießbar. Geben Sie bitte die Speisekarte zurück, wenn versucht wird, unsere Identität über den Magenfahrplan zu unterlaufen und verlassen sie die ungastliche Stätte. Die Bayern haben auch ihre Maß behalten, also lassen auch wir uns das Seidel und das Krügel nicht rauben. Kruzi noch einmal, ich will eine Semmel essen, es muß ja keine Kaiser-, doch eine Handsemmel sein. Auf Brötchen kann ich verzichten. Ich brauche Kipferln und lehne Hörnchen ab. Nix muß toll-fruchtig sein, schmecken muß es mir. Und schönen Wein trinke ich nicht, weil ich einen guten will. Helau, Hallo ist nix gegen Servus.

Also Freunde: Charakter muß man nicht nur haben, sondern man muß ihn auch zeigen. Machen sie mir und sich selber den Gefallen und zeigen Sie.

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