"Das spaltet die Gesellschaft"

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ÖGB-Chef Wolfgang Katzian über seine Zeit bei der Wiener Austria, das Klavier der Angst in der Politik und die Sanktionen gegen Russland.

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ÖGB-Chef Wolfgang Katzian über seine Zeit bei der Wiener Austria, das Klavier der Angst in der Politik und die Sanktionen gegen Russland.

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Wolfgang Katzian hat im Sommer 2018 als Präsident der Wiener Austria aufgehört und wenig später den ÖGB übernommen. Als er 2007 bei der Austria eingestiegen ist, war deren Betriebsführer und Sponsor Frank Stronach gerade dabei, auszusteigen. 2018 führt Katzian den ÖGB in die härteste Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern und der Regierung seit vielen Jahren. Katzian gilt als Diskursführer, der über Gemeinsamkeiten und Differenzen des Fußballs und der Politik Auskunft geben kann.

DIE FURCHE: Wieso haben Sie bei der Austria aufgehört?

Wolfgang Katzian: Ich bin ausgestiegen, weil die ÖGB-Präsidentschaft und die politischen Rahmenbedingungen verlangen, dass du dich stärker positionieren musst. Auch gegenüber der Wirtschaft. Das hätte bei den Austria-Sponsoren zu schwierigen Positionen führen können. Daher habe ich gesagt, bereiten wir den Übergang vor DIE FURCHE: Ihr Nachfolger Frank Hensel war Vorstand des Rewe-Konzerns, zu dem auch "Billa" gehört, und sitzt jetzt im Aufsichtsrat. Ein Wirtschaftsboss folgt einem Gewerkschaftsboss, ein Paradigmenwechsel?

Katzian: Ich war in den vergangenen Jahren politisch sehr stark positioniert. Wenn die Führung der Austria weniger politisch und mehr wirtschaftlich definiert ist, kann das dem Verein nur guttun. Die Austria muss sich internationalisieren, das kann er vorantreiben.

DIE FURCHE: Die Austria hat das beste Netzwerk. Aber ist Hensel Austrianer?

Katzian: Er sagt selber, er ist inzwischen mehr Austrianer und Wiener als Deutscher. Er ist vor zwölf Jahren, als ich bei der Austria begonnen habe, mit Rewe als Austria-Sponsor eingestiegen. Hensel war im Ausschuss für den Stadionneubau, was konnte uns Besseres passieren, als dass dort Wirtschaftskapazunder sitzen? Und seine Reaktion auf einen Fehlpass von den Unsrigen zeigt, dass er ein Veilchen ist. Sprachlich ist er halt ein bisserl anders als ich, aber das wird die Austria-Familie aushalten. DIE FURCHE: Was vermissen Sie?

Katzian: Ich wäre gern ein zweites Mal in der Champions League gewesen. Dort sind immer dieselben Reichen und Schönen. Aber nach 2013 ist es fast unmöglich, gegen Salzburg mit ihren überlegenen Geldmitteln Meister zu werden.

DIE FURCHE: Der Wiener Fußball leidet im internationalen Vergleich an Kapitalarmut. Was machen Sie dagegen?

Katzian: Durch das neue Stadion haben wir im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Juni den zweitgrößten Umsatz gehabt, 36 Millionen Euro. Den größten übrigens 2013, als wir in der Champions-League-Gruppenphase waren. Das ist Micky Mouse gegenüber anderen Vereinen. Wir wollten einen Spieler von Ried verpflichten, als die abgestiegen sind. Er hat in der zweiten deutschen Bundesliga das Zweieinhalbfache gekriegt. Mit den klassischen Möglichkeiten kannst du in Österreich nicht das Geld auftreiben, dass du international mitkommst. DIE FURCHE: Was tun?

Katzian: Wir haben vor zwei Jahren beschlossen, internationale Sponsoren zu suchen. Mit Synthos haben wir einen großen Chemiekonzern aus Polen, die Rewe-Group und Gazprom Export für den Nachwuchs. Aber dazu brauchst du die sportliche Performance, zumindest Europa League. DIE FURCHE: Die Austria bewirbt den russischen Staatskonzern. Kritiker sagen, das ist politisch nicht korrekt.

Katzian: Die haben ja kein Mitspracherecht gekauft. Wenn ich im Fußball nur mit den politisch Superkorrekten was machen will, werde ich nicht viele finden. Dann spielen wir in der Wiener Liga. Wir haben uns nicht in den Staub gehaut, wir waren in der Champions League bei Zenit St. Petersburg. Die Russen waren beeindruckt. Es hat sich eine Zusammenarbeit im Nachwuchs auf fünf Jahre mit Hilfe von Gazprom entwickelt.

DIE FURCHE: Ist das fürs Image nicht kontraproduktiv?

Katzian: Ich bin ja im September aus dem Nationalrat ausgeschieden. Als ich noch drin war, habe ich gesagt, dass ich die Sanktionen kontraproduktiv finde. Ich finde den Dialog besser. Aber wenn man konstruieren will, die sind die Bösen und wir sind die Guten, kann man das so sehen.

DIE FURCHE: Geld dominiert den Fußball, zerstört ihn das langsam?

Katzian: Fußball ist die Nummer 1 auf der Welt. Durch die Beliebtheit engagieren sich dort große Firmen. David Alaba ist mit 15 Jahren von Bayern München geholt worden. Wir haben eine Ausbildungsentschädigung bekommen, und jeder weiß, was er heute am Markt wert ist. Heute kommen 16-Jährige zur Vertragsverhandlung mit zwei deutschen Managern und den Eltern.

DIE FURCHE: Riskieren die Fußballstars in Zeiten, die für Arbeitnehmer nicht besser werden, Beziehungsverluste zu den Fans?

Katzian: Die Zeiten werden nicht schlechter, die Aufträge sprudeln, die Gewinne sprudeln. Wir als ÖGB müssen darauf schauen, dass von den Entwicklungen auch die Arbeitnehmer profitieren. Es ist ein funktionierendes Geschäftsmodell der Politik geworden, auf dem Klavier der Angst zu spielen. Ich mache dir Angst vor denen, die unter dir sind, die Flüchtlinge, die Moslems. Und du kannst es dir aussuchen, mit dem du gemeinsame Sache machst. Mit denen unter dir, dann läufst du Gefahr, aufgefressen zu werden. Oder mit denen über dir, dann garantieren wir dir, du bist der Gefängniswärter und nicht der Gefangene. Diese Geschichte spaltet die Gesellschaft.

DIE FURCHE: Ist der Fußball in der Lage, diese Spaltung zu überwinden?

Katzian: Ich glaube nein. Was er kann, ist, dass alle in der Gesellschaft das eine Zeit lang vergessen. Und er kann einen Beitrag dafür leisten, dass über vieles nachgedacht wird. Beispiel Homophobie. Gegen Sturm Graz ist unser Kapitän Alexander Grünwald mit der Regenbogenkapitänsbinde aufgelaufen. Aber der Fußball kann nicht das Verhalten der Fans ändern, das wäre eine Überschätzung seiner Wirkmächtigkeit.

DIE FURCHE: Die Austria hat ein Neonazi-Problem. Tut sie genug dagegen?

Katzian: Wir haben Stadionverbote ausgesprochen. Wir haben mit der Polizei zusammengearbeitet. Einige Zeit waren wir der Meinung, das sind Einzelne, die sind im Stadion wenigstens integriert. Das hat sich als falsch erwiesen und wir haben die Reißleine gezogen. Depperte gibt's überall. Ich glaube nicht, dass Fußballvereine für politische Ziele instrumentalisiert werden können.

DIE FURCHE: Was haben Sie aus dem Fußball für Ihre Arbeit als ÖGB-Präsident gelernt?

Katzian: Die Intensität der Nachwuchsarbeit in den Akademien ist etwas Besonderes, ich denke grad darüber nach, was man von dort in die politische Arbeit mitnehmen kann. Von Dortmund haben wir viel gelernt, wie genau die Ziele definiert sind und wie man sie erreicht: Structure follows Strategy. Das wünsche ich mir in der Politik: Du musst wissen, wo du hinwillst. DIE FURCHE: Braucht Wien ein neues Stadion?

Katzian: Man darf das alte Stadion sicher nicht einfach schleifen, das ist alter sozialdemokratischer Boden. Das einfach wegzuschieben, wird nicht gehen, so lange es eine Sozialdemokratie in dieser Stadt gibt.

Seit Juni 2018 ist Katzian ÖGB-Präsident, 2007 bis 2018 war er Präsident der Wiener Austria. In seiner Amtszeit schaffte der Verein zwei Cupsiege und 2013 den Meistertitel und den Einzug in die Gruppenphase der Champions League.

Wolfgang Katzian

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