Das Sparbuch ist out

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Wertbeständigkeit bekommt bei den irdischen Gütern wieder zunehmend Bedeutung. Was sich wieder zu Geld machen lässt, darf ruhig etwas kosten.

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Wertbeständigkeit bekommt bei den irdischen Gütern wieder zunehmend Bedeutung. Was sich wieder zu Geld machen lässt, darf ruhig etwas kosten.

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Woran denkt ein Mann, wenn er für eine Armbanduhr 100.000 Schilling hinblättert? In diesem Moment wahrscheinlich an gar nichts. Er freut sich einfach wie ein kleiner Bub zu Weihnachten. Meisterwerke der Uhrmacherkunst liegen bei jenen, die das nötige Kleingeld dafür haben, voll im Trend. Das ist, glaubt man Brancheninsidern, vor allem dem männlichen Spieltrieb zu verdanken.

Nach dem Siegeszug der Quarzuhren begann Mitte der Achtziger Jahre die Renaissance des Uhrmacherhandwerks und steigerte sich in den Neunzigern zu einem regelrechten Boom. Die exklusiven Stücke, meist in der Schweiz oder im sächsischen Uhrmacher-Zentrum Glashütte gefertigt, sind für ihre Träger nicht nur Schmuck, Statussymbol und ein technisches Wunderwerk, sondern gleichsam etwas Lebendiges. Das macht ihre Faszination aus.

Wenn auch kaum jemand eine sündteure Armbanduhr nur als Wertanlage kauft: Es beruhigt, zu wissen, dass das neue Lieblingsspielzeug "nicht sofort die Hälfte seines Wertes verliert, sobald man damit das Geschäft verlässt", so der Wiener Uhrmachermeister Rudolf Hübner. Spitzenprodukte, von denen pro Jahr nur ein paar tausend Stück erzeugt werden, bekommen langfristig sogar zusätzlich Sammlerwert. Mann darf also ohne allzu große Gewissensbisse die vielen Lichtblicke genießen, die ihm das teure Stück verschafft.

Auch beim weiblichen Geschlecht steigt das Interesse an Luxus-Zeitmessern. Der Trend ist aber deutlich schwächer, weil "für viele Frauen Uhren vor allem ein modisches Accessoire sind", so Rudolf Hübner. Kein Hobby, kein Prestigeobjekt. Wertvorstellungen - auch materielle - sind eben subjektiv.

Und sie wandeln sich; wie sehr, davon kann die Zunft der Kürschner ein Lied singen. Der Pelz, einst Inbegriff des Luxus und begehrtes Familienerbstück, das sich in Notzeiten zu Geld machen ließ, ist heute etwas, "das man wieder tragen kann", wie es Bundesinnungsmeister Hans Parzer ausdrückt. Seit Modeschöpfer wieder Pelz verwenden und Sprayer-Attacken seltener geworden sind, wächst das Kundeninteresse langsam wieder. Der ungelösten ethischen Frage, ob es gerechtfertigt ist, Tiere nur wegen ihres Pelzes zu töten, begegnet die Branche, indem sie ihr neues Image auf Felle von Tieren "aus der menschlichen Nahrungskette" aufbaut. Die Botschaft: Wer Lederschuhe trägt, braucht auch bei Pelz kein schlechtes Gewissen zu haben. Wertbeständigkeit auf Jahrzehnte hat nicht mehr höchste Priorität: "Spätestens nach fünf oder zehn Jahren lassen die meisten Kundinnen das Stück sowieso umarbeiten."

Bei Gemälden und Juwelen stimmt das Image; beides erzielte im Vorjahr im Dorotheum Rekordergebnisse. Für die Händler ist die Situation unterschiedlich: Während kleine Goldschmiede unter dem Druck der Versandhaus-Konkurrenz zusperren müssen, war für den Wiener Nobeljuwelier Haban das letzte Geschäftsjahr "eines der besten seit langem". Topmodisch ist, was auch als wertbeständig gilt - derzeit Edelsteine in der jeweiligen Modefarbe und Platin anstelle von Gold.

Schmuck soll seinen Wert behalten; bei Gemälden wünschen sich viele Käufer satte Vermögenszuwächse. "Wer ein Bild kauft, erwartet sich ganz selbstverständlich, dass der Wert steigen muss", so der Grazer Kunsthändler Andreas Lendl. Nachsatz: "Wer einmal gut beraten wurde, kommt wieder."

Was die Lust auf Bilder sonst noch steigern könnte: mehr regionale Ausstellungen. Bei allem Geschäftssinn der Kunden: Gekauft wird, was man kennt und was gefällt. Gefragt ist Schönes in positiven Farben, Bilder zum Wohlfühlen und Entspannen. Wertsteigerungen vergrößern zwar die Freude, werden aber höchstens dann zu barer Münze gemacht, wenn man ein neues, teureres Bild erwerben will.

Stichwort Wohlfühlen: Bei der Wohnungseinrichtung steigt nicht nur die Nachfrage nach Billigstangeboten, sondern auch nach Maßmöbeln und teuren Designerstücken. Für Gediegenes weit weg vom Modernismus ist dagegen nur in Marktnischen Platz. Den Österreichern sei die Gemütlichkeit ausgetrieben worden, kritisiert Henry Gerlinger, Chef des "Country House" in Wien; und das, obwohl "in einem Land, wo sieben Monate im Jahr geheizt wird, Coolness beim Wohnen wirklich nicht angesagt ist". Einen beachtlichen Teil seiner Umsätze macht das Country House mit vorübergehend in Wien lebenden Ausländern . Kein Wunder, denn die österreichischen Stammkunden "brauchen nur alle 40 Jahre ein neues Sofa". Extreme Wertbeständigkeit ist zwar gut fürs Image, schadet aber manchmal dem Geschäft ...

Auf der Hitliste der bleibenden Werte weit oben: die eigenen vier Wände. Eine Umfrage des Fessel-Institutes zeigt: Beim Stichwort Geldanlage denken die meisten Menschen zuerst an Bausparvertrag und Lebensversicherung; schon auf den nächsten Rängen folgt die Anschaffung von Grundstücken, Wohnungen und Häusern. Stark im Trend: Aktien und Investmentfonds.

Zwar hat die Zahl derer, die darin grundsätzlich eine interessante Anlageform sehen, in den letzten Jahren abgenommen; anderseits nimmt bei jenen, die sich tatsächlich Immobilien anschaffen, das Vorsorgemotiv zu. Vermögensberater bestätigen, dass immer öfter Menschen eine Wohnung nur zu dem Zweck kaufen, um sich später durch die Mieteinnahmen die Pension aufzubessern. Dass zuerst jahrelang kein Groschen von den Einkünften übrigbleibt, weil alles zur Kreditrückzahlung verwendet werden muss, wird in Kauf genommen.

Derzeit im Out: das Sparbuch, das durch den Wegfall der Anonymität weiter an Attraktivität verloren hat. Noch viel unbeliebter: die Münzsammlung. "Die Leute wollen jetzt alles loswerden", so Münzhändler Manfred Strotzka. Goldmünzen, aber auch die jahrelang gehorteten "Silberlinge", die nach der Euro-Umstellung nur mehr bedingt als Notgroschen taugen, überschwemmen den Markt. Das Positive aus Händler-Sicht: "Endlich bewegt sich wieder etwas. Wenn nur einer von 1000 Silbersammlern auf ein wertvolles antikes Sammlerstück umsteigt, ist das schon ein großer Impuls."

Klasse statt Masse - der neue Trend? Das zu behaupten, wäre noch verfrüht. Soviel steht aber fest: Weil sich kaum mehr jemand auf die staatliche Fürsorge verlässt, ist Vorsorge wichtiger geworden, und das spricht für die bleibenden Werte. Wer sich schon zu einer größeren Geldausgabe durchringt, will wenigstens lange etwas davon haben.

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