"Das Spiel ist nicht verloren“

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* Das Gespräch führte Sandra Knopp

Der Wettbewerb um qualifizierte Zuwanderer werde härter, sagt Kenan Güngör. Länder mit mangelnder Gastfreundschaft bleiben auf der Strecke.

Die Furche: In Ihrem Vortrag haben Sie die Integration mit einer Fußball-Halbzeit verglichen. Wie schlägt sich Österreich?

Kenan Güngör: So schlecht ist es nicht gelaufen. Das Land würde sonst nicht da stehen, wo es ist. Wir haben viele soziale Aufstiege erlebt. Aber es gibt Bereiche, in denen es nicht funktioniert. Angesichts unseres hohen Niveaus haben sich die Ansprüche an Integration erhöht. Deshalb muss man sagen: Das Spiel ist nicht verloren, aber wenn es so weitergeht, verlieren wir vielleicht die zweite Halbzeit. Die zweite und dritte Generation darf nicht dauerhaft ausgeschlossen werden. Das kann zu Problemen führen, wie wir sie in Frankreich erlebt haben.

Die Furche: Was kann gegen eine solche Entwicklung getan werden?

Güngör: Wir müssen massiv in Bildung investieren, um das Potenzial im Land auszuschöpfen. Alles andere wäre ein Verlust für die Jugend und für die Volkswirtschaft. Neben Bildung fehlt uns auch eine Respekt-Kultur. Respekt bedeutet aber keine Schönrednerei, sondern ist die Voraussetzung dafür, um kritisch miteinander zu sprechen. Wir müssen lernen, Probleme deutlicher zu artikulieren.

Die Furche: Sie gehen davon aus, dass in zehn Jahren ein starker Wettbewerb um qualifiziertes Personal in Europa herrschen wird. Welche Folgen hat das für Österreich?

Güngör: Bis jetzt hat man gesagt, dass man eigentlich keine Zuwanderung will. Wenn man sie brauchte, dann nur in Form von Arbeitskräften. Bei qualifizierten Einwanderern wird das künftig nicht mehr möglich sein - weil sie Optionen haben. Es ist wie in einem Restaurant: Ist die Bedienung schlecht, dann geht man in ein anderes. Der Wettbewerb wird stärker. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung in osteuropäischen Regionen zunimmt, geht diese qualifizierte Zuwanderung zurück. Und wir haben bereits eine Rückkehr-Migration.

Die Furche: Beurteilen Sie "Deutsch vor Zuzug“ als Selektionsmaßnahme?

Güngör: Ja, "Deutsch vor Zuzug“ hat primär die Funktion, eine Selektion vorzunehmen. Linguistisch ist es ein Unsinn, da erwiesen ist, dass man die Sprache in dem Land, in dem sie gesprochen wird, besser lernt. Vor der Zuwanderung wäre sinnvoller einen Raum zu schaffen, wo die Migranten sich aktiv damit auseinander setzen, welche Perspektiven und Anforderungen sie erwarten.

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