Das Spiel mit dem Geld

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Anna Badora läutet die neue Volkstheater-Saison mit "Der Kaufmann von Venedig" ein, dem politisch umstrittensten Drama Shakespeares. Von den Nationalsozialisten wurde es als antisemitisches Propagandastück missbraucht, der renommierte Regisseur Peter Zadek, selbst Jude, hat es mehrmals inszeniert. "Er war eigentlich in ständiger Auseinandersetzung damit, weil er die Person des Shylock immer neu zu definieren suchte", so Badora, ehemalige Assistentin Zadeks, die sich nun selbst an den Rachethriller wagt.

Anhand der Darstellung des Juden, der einem Christen Geld borgt und ihm, als dieser zahlungsunfähig wird, "ein Pfund Fleisch aus dem Körper schneiden möchte", sucht Badora nach grundlegenden Klischees, nicht nur im Hinblick auf den Antisemitismus. "Wer ist der Jude? Was für Charaktereigenschaften werden Juden zugeschrieben? Was passiert, wenn eine Frau den Shylock spielt?", sind die zentralen Fragen nach gesellschaftlichen Zuschreibungen und ihren Auswirkungen. "Die Bosheit, die ihr mich gelehrt, die will ich ausüben, und es muss schlimm hergehen, oder ich will es zuvortun meinen Meistern."

Badoras Inszenierung konzentriert sich auf die Machtspiele. Auch das Programmheft ist als Spielanleitung gestaltet, das Publikum wird einbezogen, denn es entscheidet -mittels Applaus -wer den Shylock am jeweiligen Abend gibt. Drei Varianten werden angeboten: Anja Herden -sie wird als Frau mit Migrationshintergrund vorgestellt, die mit vielerlei Ressentiments zu kämpfen hat. Dann Sebastian Pass -er steht für den Typus des traditionellen Wiener Juden -und Rainer Galke, Repräsentant des "seriösen" Bankers. Mit der Wahl sollen verschiedene Formen von Ausgrenzung und Vorurteilen sichtbar gemacht werden, Frauenfeindlichkeit -mit sexistischen Witzen untermauert -, Rassismus und Antisemitismus.

Die Bühne ist als Kasino eingerichtet, in der Mitte dominiert ein Roulettetisch, hier verkehren Hasardeure und Abzocker. Das Spiel mit dem Geld und seine Vermehrung sind zentrale Themen. Shylock nimmt Zinsen, er rechnet und wird als Geschäftsmann der alten Schule gezeigt. Der Kaufmann Antonio ist ein Geschäftemacher der anderen Art, ein Spekulant, der zu schnellem Reichtum kommt. Seine Schiffe sind wie Bitcoins.

Auch Portia, die begehrte und wohlhabende Adelige, wird zum Spielobjekt. Ihr verstorbener Vater hat verfügt, dass die Brautwerber Rätsel lösen müssen, um sie zur Frau zu bekommen, Kästchen aus Gold, Silber oder Blei stehen zur Wahl. Vor dem Roulettetisch findet quasi die Millionenshow statt, hochriskant sind die Anlagen, denn wer verliert, muss ein Leben lang Junggeselle bleiben.

Auch Anna Badoras Zugang ist ein Risikogeschäft. Der Antisemitismus bleibt stets im Vordergrund. Die Idee, verschiedene gesellschaftliche Ächtungen sichtbar zu machen, bleibt leider im Ansatz stecken.

Der Kaufmann von Venedig Volkstheater Wien 14., 17., 25., 28. September

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