Das vergessene Diakonat der Frauen

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Korrekte Übersetzungen aus dem Koptischen beweisen: Es gab Diakoninnen, im Ägypten wusste man bis zum 10. Jahrhundert davon. Das Diakonat Frauen wäre also nicht so neu, wie die gegenwärtige Debatte vermuten lässt. Kirchenhistoriker und Papyrusforscher Förster zeigt, warum.

Das Diakonat für Frauen wirkt für manche neu, ist es aber nicht. In Ägypten wusste man noch im 10. Jahrhundert um Diakoninnen, wie neue, korrekte Übersetzungen ergeben. Bisher war in der theologischen Literatur zu lesen, es habe in Ägypten kein Diakoninnen gegeben. Doch es war anders.

Die wenigen Hinweise auf Diakoninnen, hieß es bisher, fänden sich in Texten von Kirchenvätern des zweiten und dritten Jahrhunderts, die angeblich Kenntnis von Frauen in diesem Amt gehabt hätten, spätere Quellen gebe es nicht. Dies wird von einer bereits bekannten Quelle widerlegt: Eine etwas merkwürdige Übersetzung, um es vorsichtig zu formulieren, einer kurzen Passage einer Fürbitte für die Verstorbenen verhinderte die Erkenntnis, dass unter diesen Verstorbenen auch die Diakoninnen erwähnt werden.

Der Text stammt aus dem Weißen Kloster, einer der bedeutendsten Stätten des Christentums Ägyptens, rund 100 Kilometer nördlich des antiken Theben. Das Kloster verfügte über eine große Bibliothek, zahlreiche Pergamentblätter daraus befinden sich heute in der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Fehler der Übersetzungen

Nur einige Kilometer entfernt liegt das Rote Kloster, das unter der Oberhoheit des Weißen Klosters stand. Das Weiße Kloster war für Männer, das Rote für Frauen. Rund 2200 Mönche und 1800 Nonnen dürften zu Beginn des fünften Jahrhunderts in diesen Klöstern gelebt haben. Die strikte Trennung zwischen den Geschlechtern legt nahe, gerade diese habe zur Bewahrung des weiblichen Diakonats beigetragen. Denn bei den in der Fürbitte bezeugten Diakoninnen handelte es sich um Nonnen. In einigen Gegenden war das Amt der Diakonin mit dem der Äbtissin verschmolzen. Aber wie war es möglich, diese Passage anders zu übersetzen?

Die Edition des Textes erfolgte mit einer französischen Übersetzung. Übersetzt man die fragliche Passage aus dem Französischen ins Deutsche lautet sie: „Die, die sich des Gebrauchs der Frauen enthalten.“ Sonderbare Heilige! Man ist versucht, darüber zu spekulieren, was es genau bedeutet, dass sich diese Personen besonders „der Frauen enthalten“. Es ist einfacher: Bei korrekter Übersetzung finden sich zwei unterschiedliche Gruppen von Personen: „Asketen“ und „die Personen, die dienen, nämlich weibliche“.

Dieser Nachsatz ist im Koptischen nötig, um das Geschlecht der Personen zu kennzeichnen, ist es doch im Plural unmöglich, allein aufgrund des Artikels zu entscheiden, ob ein Maskulinum oder ein Femininum gemeint ist.

Wandel in den Begriffen

Selbstverständlich lässt sich fragen, ob diese Formulierung tatsächlich die Behauptung trägt, es habe in Ägypten Diakone weiblichen Geschlechts gegeben. Waren es nicht nur „Dienerinnen“? Der Forscher meint: Man darf nicht nur fragen, man muss sogar!

Ein Griff zur Bibel genügt. Im griechischen Text des Römerbriefes (16,1) lesen wir, dass dort Phoebe, die Überbringerin des Römerbriefes von Korinth nach Rom als diakonos, als — wenn man das Wort so im Deutschen stehen lässt — „Diakon“ der Gemeinde von Kenchreä bezeichnet wird. Aber, es bleibt nicht immer stehen: Während in der „Gute Nachricht“-Übersetzung tatsächlich von der „Diakonin“ die Rede ist, spricht die „Einheitsübersetzung“ von der „Dienerin“ und die revidierte Lutherübersetzung lautet, sie war „im Dienst der Gemeinde“.

Nicht immer wird deutlich, dass im griechischen Text von diakonos die Rede ist, eine Bezeichnung, die im kirchlichen Kontext für ein Amt Verwendung findet.

Was sich hier beobachten lässt, ist kein neuzeitliches Phänomen. Bereits die lateinische Übersetzung des Neuen Testaments spricht von der ministra, der „Dienerin“ der Gemeinde. Eine abweichende Lesart bietet an dieser Stelle in ministerio, „im Dienst“.

Wie einige deutsche Übersetzungen macht die koptische hier keine Ausnahme: Die verwendete Konstruktion ist annähernd identisch mit der Art, in der die weiblichen Diakone im Gebet aus dem Weißen Kloster umschrieben werden. Einzig, dass in dem Gebet ein griechisches Verb Verwendung findet, während die Übersetzung des Römerbriefes ein bedeutungsgleiches koptisches Verb gebraucht. Mit anderen Worten: Diese Frauen sind genau das, was auch Phoebe war: diakonos — also Diakonin!

Die genauere Betrachtung der Fürbitte für die Verstorbenen lässt weitere Schlüsse zu. Der Text lautet: „Gedenke aller, die aus diesem Leben geschieden sind ...: Der Bischöfe, der Priester, der Diakone, der Subdiakone, der Vorleser, der Psalmensänger, der Mönche, der Türsteher, der eifrigen Laien, der Exorzisten, der Asketen, der weiblichen Diakone, der Eunuchen, der Jungfrauen der Witwen …“

Diakoninnen lebten ehelos

Die Fürbitte, so darf und muss man nach einem Vergleich ähnlicher Aufzählungen annehmen, ist mit Bedacht formuliert worden. So führen die Apostolischen Konstitutionen, die im vierten Jahrhundert im syrischen Raum entstanden sind, im Rahmen einer Kommunionordnung die Männer und die Frauen getrennt an, die Diakoninnen stehen selbstverständlich bei den Frauen. Der Verfasser der Fürbitte hingegen trennt die Frauen nicht von den Männern, die Diakoninnen stehen zwischen Asketen und Eunuchen, es folgen weitere ehelos lebende Personen. Offensichtlich war in dieser Zeit — die Handschrift stammt aus dem zehnten oder elften Jahrhundert — noch bekannt, dass Diakoninnen ehelos leben mussten: Die kaiserliche Gesetzgebung unter Justinian (Nov 6,6) droht einer Diakonin, die das Keuschheitsgelübde bricht, zusammen mit dem an der Tat beteiligten Mann die Todesstrafe an.

Gesichertes Wissen

Man kann also aus dieser Fürbitte herauslesen, dass diese Frauen zu den zölibatär lebenden Christen zählten, dass sie jedoch nicht im engeren Sinn dem Klerus zugerechnet wurden: Hierfür spricht die Umschreibung des Amtes in Anlehnung an den neutestamentlichen Text und die Erwähnung bei den Zölibatären. Dass die Mönche an anderer Stelle erwähnt werden, spricht gegen die Annahme, dass es diese Diakoninnen in Klöstern gegeben hat. Mit anderen Worten: Man wusste in Ägypten noch im 10. Jahrhundert um Diakoninnen.

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