Das Wahrzeichen von oben

Werbung
Werbung
Werbung

Einer von diesen Sonntag-Sonnenvormittagen, an denen selbst das Pflaster des Kurfürstendamms in Berlin unter den Füßen zu schmelzen beginnt. Schläfrig wedelt hin und wieder ein Blatt an einer der Platanen, die Stadt kocht.

Ein paar Fußgänger vereinzeln sich an den Bushaltestellen, schon läßt der Zierlauch im Dreiecksbeet am Olivaer Platz den Kopf hängen, der Prachtmohn neben ihm welkt ebenfalls leise vor sich hin. Noch gestern abend standen beide stolz und aufrecht. Ob es in Wien auch so heiß ist? Bis zur Abendvorstellung in der Schaubühne wird es wohl kühler werden. Etwas unternehmen? Im Schatten sitzen bleiben?

Es gibt österreichische und deutsche Freunde in Berlin, wir haben uns all die Berliner Jahre nicht getroffen, so ist das nun einmal, sie zogen um, die Post funktionierte nicht und jetzt, da ich umziehe, treffen wir uns - gleichermaßen schweißüberströmt - hoch über dem Lietzensee inmitten von Charlottenburg zum Frühstück. Hier weht doch wahrhaftig ein kühlerer Wind durch die alten Linden, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, nicht zum Heizmaterial der frierenden Berliner wurden wie die des Tiergartens. Erdbeeren mit Schlag stehen auf dem Tisch, es gibt frisches Baguette vom französischen Bäcker um die Ecke, der selbstverständlich am Sonntag offen hält. Es dauert keine fünf Minuten und wir sind im Gespräch mitten beim gegenwärtigen Krieg, dem Dafür, dem Dagegen und beim Wichtigsten: dem Danach. Die schwache, fast unwirkliche Hoffnung auf Frieden schwimmt draußen im Sonnenlicht.

Dann brechen wir auf nach "Mitte", dem neuen Zentrum Berlins, verlassen den noblen Westen, der zur Zeit gar nicht mehr allzu nobel auszusehen beginnt. Am Brandenburger Tor demonstriert die PDS gegen den Krieg. Es sind nicht sehr viele, auch ihnen ist heiß. Der Touristen sind mehr. Der Reichstag ist kostenlos zu besichtigen, oben unter der gläsernen Kuppel weht uns der Wind an die Rampen, tief unter uns ein paar winzige Säulchen, darüber noch winziger ein paar Pferde und - kaum zu erkennen - der Lenkende. Das Wahrzeichen von oben.

Wenn es das Spiegelglas aus Österreich gestattet, sieht man noch viel weiter unten einen der violetten Sitze im Plenum. Dort sollen morgen wieder die Köpfe für den Frieden rauchen. Heiß soll es ihnen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung