Die Wiener Volksoper zeigt Oscar Straus' Wagner-Persiflage "Die lustigen Nibelungen": Musikalisch durchaus ansprechend - aber szenisch leider sträflich harmlos.
Siegfried, der Drachentöter, der Held Germaniens - ein Fettwanst mit dem Sex-Appeal Heinz Erhardts im Safari-Look. An der Leine führt er zwei Möpse im Drachenkostüm. In der Pose des Heldentenors verkündet er, dass sein Gold nicht am Grund des Rheins, sondern auf der "Rheinischen Bank" liege. Zwei Wochen nach der Premiere der "Götterdämmerung" an der Wiener Staatsoper hat die kleine Schwester, die Wiener Volksoper, "Die Lustigen Nibelungen" angesetzt - eine Operette aus der Feder von Oscar Straus, die nicht nur eine Persiflage auf den "Ring des Nibelungen", sondern ein an sich bissiger Angriff auf Deutschtümelei und Deutschnationalismus ist, gespeist aus verschiedenen Überlieferungen des Siegfried-Mythos.
Im schwarzen Lederdirndl
Der Burgunderkönig Gunther (Michael Kraus) hat unklugerweise um die "Königin vom Isarland" Brünnhilde (Birgid Steinberger) gefreit. Um sie zu gewinnen, muss der schwächliche Preuße die bajuwarische Matrone im Zweikampf besiegen. Dies erledigt schließlich Siegfried (Robert Wörle), verborgen unter seiner Tarnkappe. Doch als der übergewichtige Held die Widerspenstige im schwarzen Lederdirndl auch noch in der Hochzeitsnacht für den König niederringen soll, kommt es zu einem Eklat. Schnell wird sich der Hof einig, dass Siegfried sterben muss, und der finstere Hagen (Lars Woldt) schärft seinen Speer, um den durch Drachenblut - mit Ausnahme einer heiklen Stelle - unverwundbaren Recken hinterrücks zu meucheln. Aber natürlich kommt es in der Operette anders als in Wagners Weltendrama …
"Von vorne, von vorne, / da ist er ganz von Horne. / Doch von hinten, von hinten / kann man ihn überwinden": Der alte Text von Rideamus (Fritz Oliven) ist urkomisch und funktioniert mit all seinen Anspielungen auf Banken, Geldanlagen und Prozentsätze heute besser denn je. Natürlich lässt es sich der Librettist auch nicht entgehen, mit für Wagner typischen Stabreimen ("Brüllende Brunst!") um sich zu werfen und sie ins Moderne, Lächerliche zu wenden ("Reichliche Rente!").
Trefflicher Karikaturist
"Die Lustigen Nibelungen" machen sich jedoch auch musikalisch über Wagner lustig. Nicht durch Zitate, das wäre zu billig, sondern durch Passagen, die so klingen, als wären sie von Wagner komponiert worden. Wenn zwischen fröhlichen Operettenwalzern plötzlich ein von Straus kreiertes, übergroßes Siegfried-Motiv ertönt, ist das musikalischer Humor vom Feinsten. Auch die geradezu symphonische Bläserbesetzung ist ein Witz. Andreas Schüller, der das Orchester der Wiener Volksoper dirigiert, erweist sich als trefflicher Karikaturist, so dass es wie ein waidmännisches Halali aus dem Orchestergraben schallt, wenn die Hörner so richtig loslegen. Auch die Sänger bilden ein gesanglich solides, schauspielerisch überzeugendes Ensemble.
Nur die Regie lässt zu wünschen übrig. Volksoperndirektor Robert Meyer hat eine sogenannte werktreue, zugegebenermaßen präzise Inszenierung geliefert. König Gunther ist auf den ersten Blick als Karikatur des deutschen Kaisers Wilhelm II. zu erkennen, die Kostüme (Christof Cremer) entsprechen der wilhelminischen Zeit mit einem Schuss Mittelalter. Diese Historisierung erweckt jedoch den Eindruck, die in der Operette verspottete Germanen- und Deutschtümelei sei ein Phänomen der fernen Vergangenheit. Solange in Österreich wichtige politische Funktionen von Personen bekleidet werden, die sich allen Ernstes zur "deutschen Kulturnation" bekennen, ist Deutschnationalismus allerdings ein aktuelles Thema. Wie konnte sich Meyer nur die Chance entgehen lassen, hier einen Gegenwartsbezug herzustellen? Noch dazu bei einer Operettenrarität, die dafür prädestiniert ist? Bei der Premiere der "Lustigen Nibelungen" in Graz kam es 1906 zu Tumulten, weil Burschenschaftler das Deutschtum in den Schmutz gezogen sahen. Die Aufführung in der Volksoper 2008 wird keinen Schlagenden aus dem Paukboden oder aus dem Nationalrat herauslocken.