"... dass die FPÖ auf Dauer kein Partner ist"

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Er ist der grand old man der österreichischen Industrie. Die politischen Entwicklungen seit dem 4. Februar 2000 ließen ihn gelegentlich zum angry old man werden: Herbert Krejci im furche-Gespräch über Schwarz-Blau, Sozialpartnerschaft und Globalisierungsgegner.

die furche: Sie haben mehrfach scharfe Kritik an der ÖVP/FPÖ-Regierung geübt. Ihr Unbehagen hält offenkundig auch fast zwei Jahre nach der Wende unvermindert an.

herbert krejci: Nicht nur das, es verstärkt sich sogar aus zwei Gründen: Der eine ist die Tatsache, dass die ÖVP sich in der wahrscheinlich zentralen Frage der nächsten Jahre, der Erweiterung der Europäischen Union, sehr in die Geiselhaft der FPÖ begeben hat. Und der zweite ist die Art und Weise, wie man mit dem Steuerzahler umgeht: Jetzt ein Nulldefizit herauszuposaunen und dabei zu verschweigen, dass man den brutalsten Eingriff in der Finanzgeschichte in die Taschen der Steuerzahler unternommen hat, halte ich schlicht und einfach für eine Frechheit. Wir alle werden in einem Maß zur Kasse gebeten, das alle bisherigen Vorstellungen übersteigt, und dann sonnt man sich in dem Gefühl, wir haben jetzt ein Nulldefizit herbeigeführt, das im Übrigen ein Fetisch ist, über den man viel sprechen kann.

die furche: Das eine ist die Art und Weise, wie das Nulldefizit jetzt erreicht wurde, das andere ist das Ziel der Budgetsanierung an sich.

krejci: Das ist an sich positiv. Nur kann man das nicht nur einnahmenseitig betreiben. Das Nulldefizit allein ist noch kein Wert an sich, es ist eine Basis für eine langfristige, vernünftige Budgetpolitik. Man muss aber auch die jetzige Konjunktursituation beachten: Die Regierung verkündet immer, es ist alles in Ordnung, nur die wirklichen Instanzen, die sich auskennen, wie Zentralbanken oder der Herr Greenspan, die haben eine andere Meinung, was die Konjunktur betrifft, und auch die Unternehmer spüren, dass es mit der Konjunktur in der Welt und in Österreich in Teilbereichen nicht mehr so gut bestellt ist.

die furche: Es waren gerade Kreise der Wirtschaft, die diese politische Wende sehr begrüßt haben. Ist jetzt die große Enttäuschung da?

krejci: Ich habe das Gefühl, dass in jenen Wirtschaftskreisen, die sich sehr stark für diese Regierung ausgesprochen haben, eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist. Dass bei einem Regierungswechsel Personaländerungen vorgenommen werden, muss man akzeptieren, aber dass man dies mit einer derartigen Brutalität macht, ist neu. Ich denke auch an eine Äußerung des Bundeskanzlers, im ÖIAG-Aufsichtsrat seien früher Ministersekretäre und Politgünstlinge gesessen. Na, da sind einige sehr prominente Namen dabei, die es sich verbieten würden, so qualifiziert zu werden. Außerdem: Was war der Herr Bundeskanzler in seiner früheren Karriere? Er war ja auch kein Top-Manager.

die furche: Sehen Sie in Ansätzen eine Wende, oder hat die Ihrer Meinung nach überhaupt nicht stattgefunden?

krejci: Es ist ein gewisses Bewusstsein in der Öffentlichkeit entstanden, dass man den Kurs korrigieren muss. Aber was mich am meisten stört, ist, dass diese Regierung von Anfang an einen Yuppie-Ton angeschlagen hat, der meiner Ansicht unpassend ist: Jetzt kommen wir, wir sind fesch, wir machen alles anders. Man kann nicht das ganze Leben eines Staates ausschließlich den Kriterien der Effizienz und Profitabilität unterordnen. Die Herren, die heute die Marktwirtschaft in den Himmel heben, vergessen, dass die Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft hoch gebildete Leute waren, die nicht allein aus der Ökonomie gekommen sind.

die furche: Ein zentraler Vorwurf von Kritikern an diese Regierung lautet, sie betreibe eine Politik der sozialen Kälte. Wieweit ist dieser Vorwurf berechtigt? Und: Kann es eine Budgetsanierung ohne Einschnitte in den Sozialstaat überhaupt geben?

krejci: Es gibt eine ganze Reihe von Missständen, die beseitigt werden müssen, dafür habe ich volles Verständnis, aber das muss man der Bevölkerung anders klarmachen. Wenn man die Sozialversicherung sanieren will, dann muss man mehr tun, als den Herrn Sallmutter scheibchenweise zu demontieren. Wirklich gelöst ist ja wenig auf dem Gebiet.

Hier kommt noch etwas ins Spiel: dass man geglaubt hat, ganz ohne die Sozialpartner auskommen zu können. Es hat mich immer merkwürdig berührt, dass der Bundeskanzler, der ja aus der Sozialpartnerschaft gekommen ist, der ja letztlich bei Rudi Sallinger gelernt hat, was Sozialpartnerschaft ist, unter dem Einfluss auch der FPÖ die Sozialpartner in den ersten Monaten ziemlich an den Rand gespielt hat. Jetzt kommt man drauf, dass man die Sozialpartner sehr wohl braucht. Auch die sind reformbedürftig, das ist klar. Aber Sozialpartnerschaft ist ja nicht nur eine institutionelle Sache, sondern primär eine Frage der Atmosphäre, der Gesprächskultur und der Auseinandersetzung am grünen Tisch statt auf der Straße.

die furche: Die Kritik an der alten Sozialpartnerschaft lautete, dass sie Konflikte verschleiere statt Konflikte transparent zu machen. Und dass sie so etwas wie eine institutionalisierte gegenseitige Blockade sei - Sie kennen das Menasse-Wort von der sozialpartnerschaftlichen Ästhetik als Sinnbild der Republik.

krejci: Natürlich hat die Sozialpartnerschaft Abnützungserscheinungen. Die Sozialpartner haben Identitäts- und Legitimationsprobleme. Das hängt aber mit allgemeingesellschaftlichen Entwicklungen zusammen: Wir leben in einer Spaßgesellschaft, also gibt es auch immer weniger Leute, die bereit sind, ihre Zeit und Kraft der Interessenvertretung für andere zu opfern. Aber dass man deswegen das ganze System mit einer verächtlichen Geste einfach wegzuwischen versucht hat, und dass da Leute beteiligt waren, die selbst aus diesem System gekommen sind, das hab' ich nie begriffen.

die furche: Bei aller Kritik am Zustand und an der konkreten Arbeit der Regierung stellt sich die Frage, ob es seinerzeit, nach den Wahlen, eine sinnvolle Alternative gegeben hätte. Ob es also sinnvoll gewesen wäre, die alte große Koalition noch einmal wieder aufzulegen, oder ob es aus damaliger Sicht gute Gründe gab, den Weg mit den Freiheitlichen zu versuchen.

krejci: Vielleicht ist das eine falsche Meinung, aber ich habe immer noch die Ansicht, dass, wenn man die Spitzenakteure zwischen dem 4. Oktober und Ende November ausgewechselt hätte, man vielleicht eine Kursänderung herbeiführen hätte können. Klima war ohne Zweifel am Ende, das Experiment Klima hat auch die eigene Partei nicht mehr goutiert. Klima hat als Minister seine Aufgabe erfüllt, aber die Schuhe eines Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden waren ihm zu groß. Und das Gesprächsklima mit Wolfgang Schüssel war einfach nicht mehr gegeben.

die furche: Das heißt, hätte man Sie damals gefragt, hätten Sie abgeraten, die Koalition mit den Freiheitlichen einzugehen.

krejci: Mir war immer klar, dass das auf Dauer kein Partner ist. Die FPÖ ist nicht berechenbar, sie ist nicht zuverlässig, und sie hat vor allem keine grundsätzlich positive Einstellung zur europäischen Integration. Wenn, dann tut sie 's nach außen hin, aber in Wirklichkeit hat sie immer wieder Vorbehalte, die sie ja auch deutlich artikuliert.

die furche: Wirtschaftsliberalismus, Globalisierung haben derzeit keine gute Presse. Die Kritik am Prinzip der offenen Märkte, am ungebremsten Kapitalismus nimmt zu. Seit dem 11. September hat das Ganze noch einmal eine andere Dimension bekommen. Haben Sie Verständnis für die so genannten Globalisierungsgegner?

krejci: Also ich glaub', man darf das jedenfalls nicht so beiseite schieben. Und was den Liberalismus betrifft, so ist es natürlich immer wieder hochinteressant, dass in dem Augenblick, da es zu einer Krise kommt, die ersten, die bei den jeweiligen Regierungschefs wegen staatlicher Unterstützung vorsprechen, die Chefs großer Konzerne sind, die den Liberalismus auf ihre Fahnen geheftet haben.

Im Übrigen bin ich ein strikter Gegner eines brutalen Casino-Kapitalismus. Das ist heute ein Fetisch, der aufgebaut wird. Gewinn allein kann es nicht sein. Wenn mich etwas mit großer Genugtuung erfüllt, dann ist es der Zusammenbruch des Superprestiges der Investmentbanker, Analysten etc. Da werden viele von diesen frechen, jungen, arroganten Leuten verdientermaßen auf die Straße gesetzt, die sich anmaßen, ohne Kenntnis des praktischen Lebens, ohne soziale Verantwortung mit einem Federstrich über Unternehmen zu entscheiden, indem sie sagen: "Die Ziffern stimmen nicht, Tausende Leute müssen dort abgebaut werden." Vielleicht eine Schlussbemerkung dazu: Die Marktwirtschaft ist ein unbestechlicher Richter, der letztlich auch - und wenn es Jahre dauert - dafür sorgt, dass Solidität und Seriosität wichtiger sind als Augenblicksdenken und Profitabilität.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner

Zur Person: Der General vom Schwarzenbergplatz

Herbert Krejci, 1922 in Wien geboren, begann als Journalist: Bald nach seiner Heimkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft, 1946, arbeitete er als außenpolitischer Redakteur, später Ressortleiter, des von den US-Streitkräften in Österreich herausgegebenen Kurier. Ab 1956 war Krejci dann für jene Institution tätig, mit der er bis heute in Verbindung gebracht wird, die Vereinigung Österreichischer Industrieller: zunächst als Mitarbeiter der Presseabteilung, dann als deren Leiter und Chefredakteur des hauseigenen Wochenblattes industrie. 1980 wurde er Generalsekretär der Industriellenvereinigung, bis 1992 übte er diese Funktion aus. Krejci ist Universitätslektor für Public Relations an der Wiener Wirtschaftsuniversität, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik sowie Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der VA Technologie AG.

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