Daß Worte vorüberkommen

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Zum 80. Geburtstag der Schriftstellerin Jeannie Ebner.

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Zum 80. Geburtstag der Schriftstellerin Jeannie Ebner.

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Alles, was ich an guter Literatur zustande gebracht habe, waren Funde, und nichts zu suchen, zu beabsichtigen, zu konstruieren, das war mein Sinn."

Setzte Jeannie Ebner, die am 17. November 1998 ihren 80. Geburtstag feiert, tatsächlich ihre Worte und Sätze so absichtslos und spielerisch als leichte "Papierschiffchen" in die Wasser der Zeiten? Ihre Tagebuchaufzeichnungen aus dem jüngst veröffentlichten "Jeannie Ebner Lesebuch" bestätigen diesen Eindruck nur bedingt: Die etwa 4.000 gedruckten Seiten ihres Îuvres entspringen einer tiefen Leidenschaft und Besessenheit für das Schreiben, und sie sind einer kargen Lebenswelt abgerungen.

Aus Geldmangel mußte die Halbwaise das Realgymnasium abbrechen und als Lehrling in den familiären Speditionsbetrieb eintreten. "Mit sechzehn Jahren saß ich tagsüber im Büro, abends las ich Karl Marx und Rilke. Den ersteren verstand ich nicht, der zweite erweckte in mir den Wunsch, an Schwindsucht zu sterben. Aber ich war dick und rotwangig. Mit zwanzig Jahren betrieb ich ein Speditionsgeschäft, das ich ein Jahr später vernachlässigte, um an der Akademie der bildenden Künste in Wien Bildhauerei zu erlernen. Dreißigjährig, versuchte ich erstmals etwas in einer Zeitschrift zu publizieren. Es gelang, und die Zeitschrift ging ein. Seither lebe ich als freie Schriftstellerin, doch schreibe ich nach wie vor zu meinem Vergnügen." Materielle Knappheit blieb ihr treu trotz verschiedener Auszeichnungen und Preise und ihrer langjährigen Mitherausgeberschaft der Literaturzeitschrift "Literatur und Kritik". Sie selbst blieb beharrlich und geduldig dabei, als Schreibende den unermeßlichen Anspruch zu stellen wie ihre neue Penelope.

Es sind nicht die gesellschaftlichen Zustände, die sie in ihren Erzählungen und Romanen kritisch hinterfragt. Das wird ihr auch oft vorgeworfen. Sie provoziert nicht. "... ich will evozieren, bis die Engel herabkommen." Sie ruft, sie redet an.

Jeannie, die Nichte des Sprachphilosophen Ferdinand Ebner, setzt sich in Beziehung, geht dialogisch vor, auch dort, wo sie und ihre Protagonisten Selbstgespräche zu führen scheinen. Um das Finden und das Verfehlen des eigenen Selbst und des anderen, des geliebten Du, geht es in ihren Werken und um den abwesenden Gott.

Ihre Welt ist die Welt der Gesichte, der Visionen, des Surrealen. In vielfältigen Erzählweisen, mit Bildern, Metaphern und Chiffren sucht sie Metaphysisches und Mythisches einzukreisen, immer in dem Bewußtsein, dabei Grenzen zu überschreiten, aber auch an der Grenze der Sprache zu siedeln. Bis zum heutigen Tag beschäftigen sie Träume als Schlüssel zum Reich des Unbewußten, erwartet sie in Gedichten und Meditationen, "daß Worte vorüberkommen". Sie mögen ihr geschenkt sein!

Die Autorin ist Chefredakteurin der "Zeit im Buch".

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