Davos: Das Forum der Ratlosen

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In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise wirkt das Weltwirtschaftsforum wie ein Magnet auf die Mächtigen der Welt. Sie alle hoffen auf haltbare Rezepte, um einen Weg aus dem Dilemma zu finden. Doch guter Rat bleibt vage. Statt dessen geht die Angst vor einem neuen Protektionismus um, der die Krise verstärken würde.

Da waren sie nun also in Scharen nach Davos geströmt, dieses Jahr nicht, um sich und die grenzenlosen Gewinne ihres Wirtschaftssystems zu feiern, sondern um einander Trost und Rat zu spenden. Das World Economic Forum Davos hatte noch nie eine solche Vielzahl von Gästen angelockt. Mehr als 2500 hochrangige Wirtschaftsexperten sind angereist, darunter 43 Staats- und Regierungschefs - ein Weltgipfel mit einem globalen Einzugsgebiet von Südafrika über China bis nach Russland.

Globale Zusammenarbeit stärken

Doch guter Rat ist derzeit nicht nur teuer, sondern eigentlich gar nicht existent - die Sorgen dafür umso größer. Gleich zu Beginn bewegte Russlands Präsident Vladimir Putin das Auditorium zum Kopfschütteln, als er vor exzessiven Eingriffen des Staates mahnte. Wiewohl die Aufforderung von vielen Ökonomen geteilt wird, klingen solche Worte doch etwas seltsam aus dem Mund eines Mannes, der die private russische Wirtschaft samt Oligarchen so fest an den Staat bindet, dass nicht wenige von einer Quasi-Verstaatlichung sprechen.

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, dessen Land vorzeigt, wie ein Staat mit massiven staatlichen Eingriffen und Einparteiensystem trotzdem die Weltwirtschaft dominieren kann, plagt eine ganz andere Sorge, die sich auch zum Leitthema der Tagung entwickeln könnte: Der Protektionismus und die schleichende Selbstisolierung mancher Staaten, die auf Dauer die globalisierte Wirtschaft in Frage stellen könnte. Diese Kritik richtet sich vor allem an die Adresse der Vereinigten Staaten, die mit der Rettung der maroden Autokonzerne Chrysler und Ford dazu beigetragen würden, den globalen Wettbewerb massiv zu verzerren. Auch die Aufforderung einiger Regierungschefs an ihre nationalen Banken, ihr Geld künftig vermehrt im Inland zu investieren, betrachten die Davoser Experten als Alarmsignal.

Sie weisen in diesem Zusammenhang auf den Protektionismus der Staaten in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre hin, der massiv dazu beigetragen habe, die Depression um Jahre zu verlängern. Gleiches gelte auch für die aktuelle Krise.

China will dem gegensteuern und hat darüber hinaus ein milliardenschweres Konjunkturpaket zur Stärkung und Sanierung der Wirtschaft angekündigt. Höchste Priorität liegt dabei auf dem Ausbau der Infrastruktur etwa der Eisenbahnen oder dem Wohnungsbau. Dazu will China auch seine sozialen Netze ausbauen. So soll ein einheitliches Gesundheitssystem aufgebaut werden. Für die Industrie kündigte der Ministerpräsident eine Mischung aus Restrukturierung und Modernisierung an. Schlusssatz Wen: "Im chinesischen Jahr des Ochsen wird es möglich sein, die Krise zu überwinden."

Nicht recht einig ist man sich auch über die so genannten "Rettungsschirme" für die Banken, die in den USA und Europa derzeit Milliarden verschlingen. So sagt etwa Nouriel Roubini, einer der derzeit gefragtesten Ökonomen amerikanischer Prägung, man solle nur jene Banken am Leben erhalten, die wirtschaftlich gesund seien, andere, nicht systemrelevante aber durchaus pleitegehen lassen. Roubini hat die Krise bereits im Jahr 2006 detailgenau vorausgesagt. Nun meint er, die Talsohle sei noch nicht erreicht, die US-Wirtschaft werde mindestens bis zum Jahr 2010 eine Rezession oder zumindest ein nur sehr schwaches Wachstum verzeichnen.

Klaus Schwab, Gründer und Vorstandsvorsitzender des WEF, bezeichnet das diesjährige Treffen als das wichtigste in seiner 40-jährigen Geschichte: "Wir erleben den Weckruf, die Institutionen und Systeme und vor allem die Art und Weise unseres Denkens gründlich zu überprüfen", sagt Schwab.

Doch die Ansätze dazu sind rar. Vielmehr ortet die Neue Zürcher Zeitung "magere Rezeptsammlungen" die noch dazu "vage und unrealistisch", seien. Besonders umstritten ist die Forderung nach einem "Wachhund", einem Kontrollorgan für die Finanzmärkte, wiewohl alle Beteiligten einräumen, dass ein neues Kontrollsystem die alte Nichtkontrolle ablösen müsse.

Entsprechend pessimistisch die Rede des umstrittenen Investors George Soros Anlass, der die Krise als "gravierender als in den 30er Jahren bezeichnete und von einem "Dammbruch" sprach, der mit der Pleite der Investmentbank Lehman-Brothers begonnen habe. Rund 1500 Milliarden Dollar seien nötig, um das finanzielle Loch zu stopfen, man verfüge derzeit aber nur über 1000 Milliarden.

Auch Rupert Murdoch, Chef des Medienkonzerns News Corp, malt ein düsteres Zukunftsbild: Die weltweite Krise werde sich noch verschlimmern. Kann Davos also Lösungsansätze entwickeln? Skeptisch macht das Beispiel des Vorjahres: Da ging man davon aus, dass die Krise bloß "einen begrenzten Markt umfasse und keine Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben werde. (red)

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