Dem Schicksal in die Hände gespielt

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Roland Schimmelpfennig erzählt vom Albtraum jeder Familie: Ein Kind läuft auf die Straße, wird von einem Wagen erfasst und stirbt. Wie konnte das passieren?

Exakt damit beschäftigt sich der Erfolgsdramatiker in seinem neuen Stück "Das fliegende Kind“ - und er rollt die Kette unglücklicher Ereignisse, die der Katastrophe vorausgehen, minutiös auf. Schimmelpfennig, der die Uraufführung im Akademietheater inszenierte, verzichtet wie gewohnt auf szenische Umsetzung, lässt die Umstände dieses tragischen Unfalls mit all den folgenschweren Nebensächlichkeiten von drei Frauen (Christiane von Poelnitz, Regina Fritsch, Barbara Petritsch) und drei Männern (Peter Knaack, Falk Rockstroh, Johann Adam Oest) auf einer leeren schwarzen Bühne in loser Folge beschreiben.

Kleine Schritte ins große Unglück

Diese Umstände sind: Das Matchboxauto, das der Bub während des Laternenfestes festhält und später auf der Straße suchen wird. Die Mutter, die das weinende Geschwisterchen auf dem Arm trägt und sich deshalb nicht rechtzeitig nach ihrem Sohn umsehen kann. Der Vater, der zum Vortrag einer sexy Regenwaldforscherin nicht zu spät kommen will und zu schnell mit seinem neuen schwarzen Wagen unterwegs ist.

Unablässig wechseln die Schauspieler ihre Rollen, sprechen die Regieanweisungen mit und sorgen für die Geräuschkulisse. Jede Figur konstituiert sich nur für die Dauer ihres Sprechens und löst sich dann wieder auf. Spannend wird dieses postdramatische Wechselspiel vor allem, wenn ein Satz, eine Geste mehrmals wiederholt und immer wieder neu interpretiert wird.

In seiner Handschrift verbindet Schimmelpfennig die private, persönliche Familientragödie mit philosophischen Diskussionen, surrealen Momenten und gesellschaftspolitischen Seitenhieben zu einem Sittenbild unserer Zeit. Seine Kraft entfaltet das Stück durch ein präzise choreografiertes, filmartiges Bühnenspiel, das ganz auf die fabelhafte Handwerkskunst seiner Schauspieler abgestimmt ist.

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