Demokratiereform? Bitte mit uns!

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Während der Nationalrat Sommerpause macht, formiert sich unter dem Namen "IG Demokratie“ ein Club von politischen Visionären. Ihr Ziel: einmischen, und so die Regeln ändern.

Der Ruf nach einer Demokratiereform in Österreich ist heuer aus vielen Ecken - bis hinauf zum Präsident des Verfassungsgerichtshofes - zu hören. Anfang Juli haben SPÖ und ÖVP das Thema erstmals auf Regierungsebene diskutiert. Was manche als Teilerfolg feiern, greift anderen längst nicht weit genug. Denn demokratische Politik, sagen sie, beginnt nicht erst hinter den Türen des Parlaments.

"Eine Demokratiereform kann nur dann legitim sein, wenn sie aus der Bevölkerung heraus generiert wird“, meint Stefan Schartlmüller.

Internationale Vorbilder

Schartlmüller ist 29 Jahre alt und einer von drei Gründern der "Online Partei Österreichs“. Das Konzept, dass politische Entscheidungen direkt demokratisch per Online-Voting getroffen werden, brachte auch Kritik ein. "Daraus haben wir gelernt“, räumt Schartlmüller ein, "die Idee war am Anfang nicht perfekt.“ Unverändert ist aber sein Gefühl, dass etwas falsch läuft. Und die Überzeugung, dass es auch anders gehen muss.

Damit ist Schartlmüller nicht allein. Noch nie gab es so viele Demokratie-Initiativen, Bürgerprojekte und Reformvereine, wie heute. Einige schließen sich nun zur Interessengemeinschaft (IG) Demokratie zusammen, und Stefan Schartlmüller ist ihr Sprecher. Die Initiative "Volksgesetzgebung jetzt“ ist dabei, genau wie die OPÖ und die Engagement-Plattform "respekt.net“, über die die Startfinanzierung läuft. Aber auch ein Computerspiel-Designer, der Entscheidungen visualisieren will oder der Grazer Systemanalytiker Erich Visotschnig, dessen Konzept des "Systematischen Konsensierens“ Gruppenabstimmungen (und damit: Wahlen) revolutionieren soll, sind der IG Demokratie schon beigetreten. "Alles Menschen, die sich Gedanken machen, wie Demokratie anders funktionieren kann“, sagt Schartlmüller. Die Mitgliederzeit wird in den nächsten Wochen wohl noch wachsen, mit so gut wie allen Demokratie-Initiativen laufen Gespräche.

Und was will der bunte Haufen? Am Freitag soll die Website ig-demokratie.at online gehen. Dort werden in einem ersten Schritt Themen gesammelt. Jeder kann sich daran beteiligen: Was braucht mehr Kontrolle? Wo wollen wir mitbestimmen? Und: Welche Instrumente gibt es dafür? Ideen können internationale Beispiele geben. Wie das von Hamburg, wo die Bürger ein Transparenzgesetz selbst geschrieben haben, das vom Rathaus übernommen wurde. Oder Island, wo ein "Verfassungsrat“ aus 25 Bürgern einen Entwurf für ein Grundgesetz ausgearbeitet hat. Oder aber die lokalen Bürgerräte in Vorarlberg, die Ideen entwickeln.

Nach deren Vorbild will die IG Demokratie einen Demokratiekonvent installieren. Läuft alles nach Plan, sollen im ersten Viertel des nächsten Jahres in jeder Landeshauptstadt je 25 Bürger gemeinsam mit Experten einen Reformvorschlag für die österreichische Demokratie entwickeln. Im Idealfall wird der vom Parlament übernommen und - wahrscheinlich nach einer verpflichtenden Volksabstimmung - die Verfassung nach Wunsch der Bürger verändert.

Ausgewählt werden die Bürgerräte, wie in Vorarlberg, nach dem Zufallsprinzip. Das soll die soziale Durchmischung gewährleisten. Ob der Plan aufgeht, ist allerdings fraglich. Im Vorarlberger Pilotprojekt ist die Bereitschaft sich zu engagieren nicht sehr hoch: Von sechs Leuten, die angeschrieben werden, ist nur einer dazu bereit.Das werde sich aber ändern, hofft Schartlmüller: "Sobald man sieht, dass sich Engagement lohnt, wird das Interesse daran steigen.“

Tragende Rolle der Parteien

Als Manifest für die IG Demokratie könnte das neue Buch des deutschen Politologen Serge Embacher herhalten. Auch er ruft zum demokratischen Wandel auf, sieht er doch in der Stärkung der Bürgergesellschaft den Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weder Embacher noch die IG Demokratie wollen übrigens Parteien abschaffen. Im Gegenteil: "Die Parteien zu neuen Strategien und damit die Regierung zu andern Entscheidungen, zur Wiederentdeckung einer Politik des sozialen Ausgleichs und damit der sozialen Gerechtigkeit zu bringen, ist Aufgabe der Bürgergesellschaft“, schreibt Embacher.

Der nächste Termin dafür ist Anfang September: Dann setzt die Regierung ihre Gespräche zur Demokratiereform fort.

Baustelle Demokratie

Die Bürgergesellschaft revolutioniert unser Land. Von Serge Embacher, edition Körber-Stiftung 2012.

224 Seiten, broschiert, € 16

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