Demütig Frieden schließen können

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Thema: Jerusalem

Ich war noch nie in Israel, war bislang nie im "Heiligen Land“. Das Amalgam aus Religion und latenter und manchmal nicht nur latenter Gewalt, das dort herrscht, und das bisweilen sogar den Weltfrieden gefährdet, war mir immer suspekt. Der Streit um "heilige Orte“ war für mich so "spannungsgeladen und verwirrend“, dass ich ihm bislang ausgewichen bin. Denn mit dem, wofür Jesus von Nazareth steht, hat dies alles nichts zu tun.

Aber das stimmt halt nur halb. Jesus, von dem selbst Nietzsche anerkannte, dass er ohne jedes Ressentiment und völlig frei von jeder Rache war, starb in den religionspolitischen Konflikten Jerusalems. Man kann dieser Tatsache auf Dauer nicht ausweichen. Und so fliege ich in diesem Herbst erstmals dorthin.

Gott braucht keine irdischen Zentralen, und solche, die sich aufführen wie Kinder im Sandkasten (und manchmal noch schlimmer), braucht er schon gar nicht. Gott braucht überhaupt weder die Erde noch die Menschen, und ob er seine Schöpfung braucht, auch darüber kann man sich streiten. Aber wir brauchen Orte, an denen Gott sich offenbart, an denen wir etwas von seinem Heil erfahren. Und um die identifizieren zu können, brauchen wir tatsächlich "Religion“ - wenn sie sich auf Gott hin relativiert.

"Israel scheint seit seiner Gründung zum Großlaboratorium für das menschliche Bedürfnis nach absolutem Sinn geworden zu sein“ - so der israelische Psychologe Carlo Stenger. Und er fährt fort: "Nur eine Politik jenseits des Erlösungsbedürfnisses, die mit der Unvollständigkeit der menschlichen Existenz Frieden geschlossen hat, wird auch Israel und dem Nahen Osten den Frieden bringen.“

Aber vielleicht wäre das ja gerade der Sinn der drei großen monotheistischen Religionen: in Gott demütig Frieden mit der Unvollständigkeit der menschlichen Existenz schließen zu können.

* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

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